Wanderung von Grimma nach Döben – Natur, Kultur und die Bruchstellen der Zivilisation
Startpunkt unserer kleinen, aber eindrucksvollen Wanderung ist die Pöppelmannbrücke in Grimma – ein massives, imposantes Bauwerk aus Sandstein, das der Stadt einen würdigen Muldeübergang bietet.
Sie wurde im 18. Jahrhundert vom berühmten Barockbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann entworfen. Die nach der Flut sanierte Brücke steht noch heute wie ein Denkmal aus einer Zeit, in der Bauwerke noch Haltung zeigten.
Wir überqueren die Straße, lassen den Verkehr hinter uns und begeben uns bergan auf den Döbener Weg, der schnell in die Pflaumenallee übergeht – ein wunderbar schmaler, verkehrsarmer Weg, flankiert von alten Bäumen und weiten Feldern. Spätestens hier beginnt das Abschalten vom Alltag.
Am Ende diese schmalen Feldstraße tauchen wir in ein kleines Naturparadies ein: ein unter Naturschutz stehender Wald, dessen Stille nur von Vogelstimmen unterbrochen wird. Wer achtsam geht, sieht sie – die Baumriesen, teilweise mit wulstigen Verwachsungen, wie aus der Hand eines expressionistischen Bildhauers. Hier zeigt sich: Die Natur ist der eigentliche Avantgardist und wir sind kleine Scheißer mit großen Mäulern.
Wem das Herz noch nicht aufgegangen ist, sollte einen der mächtigen Stämme umarmen und so einige Minuten auf dem Spaziergang von Grimma nach Döben verharren. Man bekommt dafür keine Likes, aber vielleicht etwas Kraft.
Bäume umarmen – wirkt das wirklich?
Wer einen Baum umarmt, tut mehr als lediglich Naturromantik betreiben. Denn Studien zeigen: Der Kontakt mit Bäumen senkt den Stresspegel, beruhigt Puls und Nerven und hebt sogar die Stimmung. Die Rinde spüren, das Rascheln hören, tief durchatmen – das aktiviert den Parasympathikus und sorgt für eine ordentliche Portion Achtsamkeit. Bäume geben zudem Terpene ab – natürliche Duftstoffe, die unser Immunsystem stärken.
Übrigens: Bäume tun uns gut. Wer’s nicht glaubt, probiert’s einfach mal aus, ohne das ein Zuschauer in der Nähe ist.
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Ziel der Wanderung von Grimma nach Döben ist auch die Dorfkirche von Döben – ein sakrales Kleinod
Kurz vor Döben müssen wir ein Stück Straße mit Gehweg nutzen, was die Wanderfreude kaum trübt. Es geht leicht bergan und bald schon ist Döben erreicht – ein kleiner unbelebter Ort der doch eine große Wirkung auf mich hatte und hat. Denn ich war schon mehrfach hier.
Wir gehen hinauf zur Dorfkirche Döben bei Grimma, die auf einer Anhöhe thront und schon von weitem einen gewissen Stolz ausstrahlt.
Diese romanisch-barocke Kirche ist ein echtes Erlebnis. Im Inneren erwarten uns kunstgeschichtliche Überraschungen: ein gut erhaltenes Zellengewölbe, historische Grabplatten, eine barocke Orgel und ein Kanzelaltar, der mit sächsischer Bildschnitzkunst glänzt. Alles liebevoll gepflegt. Ein Anruf im Pfarramt Grimma genügt – und uns wurde die Kirche nach Terminabsprache geöffnet. So lohnte sich unsere Wanderung von Grimma nach Döben doppelt – Kunst und Natur. Was will man mehr.
Schloss oder Burg? Hauptsache Geschichte
Von der Kirche aus blickt man auf das sogenannte Schloss Döben – oder wie die Ferienwohnung daneben es nennt: Burgblick. Und tatsächlich: Der hintere Teil, der heute wie eine Ruine erscheint, war einst ein stattlicher Sitz, urkundlich erstmals im 11. Jahrhundert erwähnt. Die vorderen Gebäude sind liebevoll saniert und dienen gelegentlich als Veranstaltungsort. Denn – im Laufe der Jahrhunderte ging es dem Gebäude wie so vielen: Krieg, Vernachlässigung, DDR-Verfall. Heute wird restauriert, saniert, vielleicht sogar geträumt.
Wir sitzen neben den Pavillon im ehemaligen Schlossgarten. Eine leichte Brise, ein Stück Obst, vielleicht ein mitgebrachtes Brötchen – mehr braucht es nicht. Der Blick über die Mulde stromabwärts beruhigt.
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Danach wanderten wir hinab ins Tal und erreichen – nach zirka 200 Metern an einer leider stark befahrenen Straße entlang gehend – einen gut ausgebauten Rad- und Wanderweg, der sich zunächst parallel zur Mulde und dann im Tal entlang schlängelt. Ab da ging es mit unserer Wanderung von Grimma nach Döben in der Ebene weiter.
Die Ränder des Wander- und Radweges sind bewachsen, teils angenehm schattig und dann wieder mit weitem Blick ins Flusstal – ein Geschenk für alle, die zu Fuß unterwegs sind oder sein dürfen. Nach ca. sechs Kilometern sind wir wieder an der Pöppelmannbrücke angelangt.
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Grimma: Geschichte, Skulpturen – und kein Ort zum Essen am Markt?
Zurück in der Stadt werfen wir noch einen Blick aufs Rathaus von Grimma – ein stattlicher Bau, der gotische Elemente mit Renaissanceverzierungen mischt. 1442 eingeweiht, wurde es nach dem Hochwasser 2002 restauriert und ist ein echtes architektonisches Schmuckstück.
Direkt vor dem Rathaus steht die vielleicht freizügigste Brunnenfigur Sachsens: Eva, geschaffen 1912 vom Bildhauer Paul Pilz.
Eine nackte Frau, die Eva mit Apfel, keck und unerschrocken im öffentlichen Raum. Bereits bei ihrer Aufstellung sorgte sie für Skandälchen – heute würde man vermutlich eine Gender-Debatte entfachen, bevor man so etwas genehmigt. Aber sie steht noch. Und das ist gut so.
Das Bittere an diesem Brunnen mit seiner schönen Figur ist jedoch, dass sein Schöpfer 1915 im Ersten Weltkrieg an der Front im Alter von 32 Jahren fiel und seine Plastik sogar gegen Ende des Krieges eingeschmolzen werden sollte. Mir stellt sich nicht nur in diesem Fall die Frage nach Sinnlichkeit und Gewalt.
Sind Menschen, die der Sinnlichkeit feindlich gegenüberstehen, eventuell eher zur Gewalt bereit? Ich meine JA!
Gastronomische Notlage und ein Bahnhof zum Davonlaufen
Doch dann das Dilemma: Der Ratskeller – geschlossen. Der Grieche – Ruhetag. Die Metzgerei – deftig. Die Lösung: ein akzeptabler Döner irgendwo am Rande der Hoffnung. Eine Bratwurst? Fehlanzeige. Für jemanden, der sich dem Erhalt der deutschen Wurstkultur verschrieben hat, ist das beinahe ein Affront.
Der Tiefpunkt aber ist der Bahnhof von Grimma. Zerfallen, unbenutzt, ein Mahnmal der Vernachlässigung. Wer hier ankommt, versteht auf einen Blick, warum so viele Menschen sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Da hilft auch kein Nahverkehrskonzept. Und doch: Unsere RB 110 aus Leipzig fuhr pünktlich, sauber und landschaftlich reizvoll. Ein kleiner Trost bei unserer Wanderung von Grimma nach Döben.
Eine Wanderung Von Grimma nach Döben bietet alles – Natur, Kultur, Geschichte und auch ein paar handfeste gesellschaftliche Wunden.
Wer genau hinsieht, entdeckt weit mehr als nur Bäume und Burgruinen. Er entdeckt ein Stück Deutschland – schön, widersprüchlich, manchmal auch erschreckend.
Trotz allen Kritikpunkten sind Ausflüge ins Muldental ein Ereignis.