Das Hochwehr bei Klosterbuch – eine Wanderung im Muldental
Der Startpunkt war der Leipziger Hauptbahnhof. So oft wie wir dort abfahren – jedes Mal ist er eine kleine Sensation.
Den Reiz des Muldentals habe ich schon mehrfach beschrieben. (Siehe unten)
Nach vielen neblig-dunklen Tagen zeigte sich zum ersten Mal die Sonne. Also fuhren wir mit dem RB110 von Leipzig in unser Stammrevier – das Tal der Freiberger Mulde. Der Himmel war unverschämt blau, und letzte Nebelschwaden begleiteten uns auf dem Hinweg.
Ein blauer Himmel hat eine bemerkenswerte Wirkung auf unsere Psyche.
Blau wird oft mit Ruhe, Gelassenheit und Freiheit assoziiert. Ein klarer, wolkenloser Himmel vermittelt ein Gefühl von Weite und Unendlichkeit, das Stress abbauen und die Gedanken ordnen kann – wie ein reinigendes Bad für den Geist.
Dieser Gedanke kam mir umso mehr, als wir am Klinikgelände Westewitz-Hochweitzschen vorbeikamen.
Früher befand sich dort eine bedeutende psychiatrische Klinik, die eine wichtige Rolle in der Region spielte. Heute wird das Areal teils medizinisch, teils therapeutisch genutzt und liegt idyllisch eingebettet in die grüne Landschaft des Muldentals.
Da wir es mit dem Wandern nicht übertreiben wollten, wählten wir – auch wegen der Sonne – den Weg am Waldrand von Westewitz nach Klosterbuch.
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Veränderungen in der Landschaft werden kommen.
Die Landschaft des Muldentals wird sich verändern. Bald werden wir in unserer Region vermutlich keine Birken mehr sehen. Diese Flachwurzler überstehen die Trockenperioden nicht und sterben ab. Das sogenannte Birkensterben ist ein sichtbares Zeichen des Klimawandels, das die Landschaft nachhaltig prägt. Doch wo die Birken verschwinden, könnten andere Baumarten, die besser an die neuen Bedingungen angepasst sind, eine Chance erhalten.

Auch der Leisniger Porphyr, ein besonderes Gestein, das in der Region gewonnen wird, zeigt sich von Veränderungen nicht unberührt.
Obwohl er einen stabilen Eindruck macht, unterliegt er ebenfalls der Erosion. Dieses Gestein prägt mit seiner rötlichen Farbe viele Bauwerke und verleiht der Landschaft ihren einzigartigen Charakter. Nix bleibt wie es ist auch ich werde letztendlich zu Staub.
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Das Hochwehr von Klosterbuch ist eine eher unbekannte Attraktion.
Auf halber Strecke machten wir einen Abstecher zum überdachten Hochwehr von Klosterbuch. Es gilt als eines der größten in Europa und fügt sich harmonisch in die Landschaft ein. Es wurde zwischen 1923 und 1925 erbaut, um den Wasserstand der Freiberger Mulde zu regulieren und Energie zu gewinnen. Vermutlich gab es zur Zeit seiner Errichtung keinen Protest gegen dieses Bauwerk. Heutzutage würde der Frosch schreien und die Fledermaus streiken. Die Fische sprängen aus dem Fluss und der Bauer ginge vor das Verfassungsgericht.
Angesichts der großen Menge an erneuerbarer Energie, die wir diesem Hochwehr verdanken, lohnt es sich, nachdenklich zu werden. Ganz im Ernst.
Denn das zum Hochwehr gehörende Wasserkraftwerk in Klosterbuch ist mit zwei Kaplan-Turbinen ausgestattet, die eine Gesamtleistung von 1.100 kW (800 kW und 300 kW) erbringen und einen Wasserdurchsatz von 34 m³/s aufweisen. Ein Wasserkraftwerk dieser Leistung kann unter optimalen Bedingungen etwa 2.750 Haushalte mit Strom versorgen.
Das Hochwehr mit dem Wasserkraftwerk wurde also 1925 fertiggestellt, läuft wie Hanne und benötigt wenig Wartung und ist zu einem Bestandteil der Landschaft geworden.
Eine – wohlgemerkt eine – moderne Onshore-Windkraftanlage erreicht eine ähnliche Leistung, ist im Bau weniger aufwendig, benötigt noch weniger Wartung und beeinträchtigt keine Fische auf ihrem Weg flussaufwärts wo der Angler wartet. Wo liegt also das Problem?
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ANZEIGE - ENDE
Der Scheergrund und der Bahnhof von Klosterbuch waren nach dem Hochwehr bei Klosterbuch die nächsten Stationen.
Unser Weg führte weiter am idyllischen Scheergrund vorbei bis zum kleinen Bahnhof von Klosterbuch. Dieser Bahnhof ist, im Gegensatz zu vielen ruinösen Bahnhofsgebäuden entlang der Strecke Leipzig–Döbeln, ein echter Glücksfall – wie der Leisniger Porphyr der sich auch wacker hält.
Der Scheergrund ist ein kleines Naturparadies, geprägt von seltenen Pflanzen und einer bezaubernden Ruhe jedoch nur gut vom Waldesrand aus zu betrachten, da durch das sehr enge Tal eine Straße führt.
Der Bahnhof Klosterbuch, gelegen an der Bahnstrecke zwischen Döbeln und Leisnig, ist ein historisches Zeugnis sächsischer Eisenbahngeschichte.
Er wurde 1857 eröffnet und spielte eine wichtige Rolle im Personen- und Güterverkehr der Region. Das markante Bahnhofsgebäude mit seiner typischen Architektur des 19. Jahrhunderts war einst ein zentraler Knotenpunkt für Reisende und den Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Nach Jahren des Verfalls wurde das denkmalgeschützte Gebäude in den letzten Jahren umfassend saniert. Die Sanierung erfolgte mit viel Liebe zum Detail, um den ursprünglichen Charakter des Bahnhofs zu bewahren. Heute dient der Bahnhof Klosterbuch als kultureller Treffpunkt und Veranstaltungsort. Er ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie historische Bausubstanz durch behutsame Restaurierung eine neue Nutzung und Bedeutung finden kann.
Krönender Abschluss in Leipzig
Unser kleiner Ausflug endete dort, wo er begann: am Leipziger Hauptbahnhof. Die Osthalle war in ein Gegenlicht getaucht, das nicht eindrucksvoller hätte sein können – ein perfekter Abschluss für einen gelungenen Tag. Denn ein wenig Grand Central Terminal kommt immer gut.
Obwohl der Grand Central Terminal und der Leipziger Hauptbahnhof in unterschiedlichen Epochen und unter verschiedenen Einflüssen entstanden, teilen sie den Anspruch, Funktionalität mit monumentaler Architektur zu verbinden. Beide Bahnhöfe sind nicht nur Verkehrsbauten, sondern auch kulturelle und architektonische Wahrzeichen ihrer Städte.