Als Flaneur in Wissembourg
Der Flaneur ist ein „Spaziergänger“, „Faulenzer“, „Schlenderer“ oder „Nichtstuer“ – so die Übersetzung.
Fangen wir in der Mitte der Visite an. Als Flaneur in Wissembourg muss man sich hin und wieder erholen.
Ich behaupte, dass der Flaneur mehr entdeckt als der wissensdurstige Forscher oder gar ein gehetzter Tourist.
Denn dieser wie jener ist auf Dinge und Gegebenheiten aus, die er vor seinem Trip irgendwo gelesen hat oder die er von einem Fremdenführer vorgesetzt bekommt.
Als Flaneur in Wissembourg sucht man nichts – man findet.
Das Salzhaus sieht mit seinem abgestuften Dach märchenhaft aus. Aber auch seine Geschichte ist skurril. Es ist überliefert, dass es zuerst ein Krankenhaus war. Danach Schlachthaus!! Später lagerte man hier Salz – daher sein Name. Und zuletzt wohl Hopfen. Obwohl das Elsasse ein recht bekanntes Weinbaugebiet ist, wird hier fünfzig Prozent des französischen Biers gebraut. Erst brauten die Mönche. Ab 1268 gibt es die ersten Braumeister.
Obwohl man immer noch in den Gassen verlassene Gebäude sieht, scheint sich Weissenburg auch abseits der gängigen Wege zu erholen. Die großen Städte, wie Karlsruhe, werden zunehmend teurer aber auch unattraktiver. Die Jungen schätzen wieder den Reiz der überschaubaren Kleinstädte.
Man sieht aufwändig restaurierte Fachwerkbauten und die Stadt wirkt auch belebter als vor einigen Jahren.
Auch wenn die Säkularisation voranschreitet und die Institution der Kirche früher oder später vor der Auflösung steht, wird ihre kulturelle Bedeutung bestehen bleiben.
Die Kunst macht keine Ausnahme!
Jede Generation, jeder Mensch wird zu jeder Zeit ein Kunstwerk ganz individuell und nach seiner Prägung wahrnehmen. Freilich gibt es Formulierungen zu Eros und Thanatos, die Allgemeingültigkeit erlangen und damit zeitlos sind.
Der als Plastik ausgeformte Leichnam Jesu in der Kirche Peter und Paul zu Wissembourg war Andachts- und Trauerort der Gläubigen. Betrachtet ein Agnostiker der „Jetztzeit“ dieses Kunstwerk, bekommt es aufgrund seiner speziellen künstlerischen Formulierung einen surrealen Charakter.
Das Kunstwerk wird jedoch nicht besser oder schlechter – es nimmt eine neue Daseinsform an.
Vom sakralen Andachtsort zum Ruheort der Besinnung. Die Welt bleibt draußen.
Ich wünschte mir noch eine Spur Weihrauch und leise Orgelmusik wie in der Dorfkirche von Hohen Viecheln.
Das Elsass hat viele Spezialitäten. Der Gougelhof (Gugelhupf) ist in jeder Patisserie zu bekommen. Im Gegensatz zum österreichischen Modell wird dieser hier aus Briocheteig gebacken. Zur Weihnachtszeit wird der Teig üppig mit Rosinen und Rum oder Kirschwasser angereichert.
Natürlich gibt es auch eine deftige Variante mit Speck. Dazu passt dann besonders der trockene Riesling dieser Region.
Die Elsässer Obst-Kuchen sind eigentlich Tarte. Also mit einem Mürbeteig als Grundlage. Dieser wird in einer, mit Obst oder auch deftigen Zutaten, runden Backform mit geriffelten Rand gebacken. Berühmt ist die kopfüber gebackene Apfeltarte.
Himmlisch süß, verführerisch und locker.
Ohne Küsse, Baisers oder auch Meringes genannten Eischneebackwerk kein Frankreich.
Jetzt machen wir einen dicken Strich!
Denn wenn wir schon mal hier sind, können wir auch auf den Weihnachtsmarkt warten.
Denn als Flaneur in Wissembourg sollte man diesen nicht verpassen. Natürlich ist er nicht mit dem in Straßburg oder Colmar zu vergleichen, hat aber die größte Vielfalt an Würsten im Angebot. Eigentlich ist dieser Weihnachtsmarkt eher ein Bauernmarkt.
Man möchte meinen, was dem Deutschen in der Weihnachtszeit sein Pfefferkuchen ist, das ist dem Elsässer seine Salami oder auch Saucisson sec genannt.
Selbst ich als passionierter Imbissbuden und Bratwurstforscher bin ob dieser Vielfalt übermannt. Schwein Natur, mit Nüssen, Steinpilz, Pfeffer, Kräutern, Knoblauch, Feigen und gar dem Münsterkäse. Hirsch, Wildschwein, Esel, Rind, Ente und Ziege. Alles wird zur Wurst gemacht und alles kann da hinein. So kommt man über den Winter.
Natürlich bekommen Sie auch Speck und Brot dazu.