Dorfkirche Hohen Viecheln
Eine Entdeckung.
Schöne Kirchen am Schweriner See sind einige zu entdecken, die Dorfkirche von Hohen Viecheln war aber eine besondere Überraschung.
Wir hatten eine Ferienwohnung mit Blick auf den See gebucht und bemerkten bei der Anfahrt nichts Besonderes. Denn Hohen Viecheln ist ein typisches mecklenburgisches Straßendorf. Also Straße mitten durchs Dorf. Rechts und links niedrige Häuser und teils üppiger Baumbestand. Ein wenig Verkehr, aber nicht viel mehr.
Das Gelände im Dorf an der Straße ist flach und fällt dann ab zum Schweriner See.
Unten liegt er still und strahlt an sich schon Ruhe aus. Angeln, paddeln und den Alltag vergessen. Von unserer Herberge – ich hab ein Haus am See – waren es wenige Hundert Meter bis zu einer Räucherfischbude.
Fischbuden sind in der Regel die ersten Ziele, wenn man vom Binnenland her nach Mecklenburg kommt.
Der Fischimbiss Prignitz bietet frischen und geräucherten Fisch in feinster Qualität. Direkt am See kann man diesen mit Bratkartoffeln und selbst gemachter Remoulade genießen. Sie verstehen? Bratkartoffeln und Remoulade, ergeben zusammen genossen einige Kalorien. Natürlich müssen die durch Bewegung reuig abgearbeitet werden.
Also wollten wir noch einige Meter gehen und nahmen den Weg hinauf in das Dorf. Unweigerlich kamen wir an der dicht eingewachsenen Dorfkirche von Hohen Viecheln vorbei und waren erstaunt.
Ihre Dimension war für ein eher kleines mecklenburgisches Dorf erstaunlich. Und sie war nicht verschlossen. Sollte sie es bei Ihrem Besuch sein, so können Sie sich den Schlüssel im Pfarramt abholen. Dieses liegt gleich an der Süd-Ost-Seite der Dorfkirche von Hohen Viecheln. Und wenn sie Glück haben und im September am Schweriner See sind, können Sie einen sehr schönen Bauernmarkt auf dem Pfarrhof erleben.
Beim Betreten der Kirche erklang dezent Musik und wir waren ob der reichen Fülle in der Kirche blass erstaunt.
Die Hallenkirche ist innen um einiges imposanter, als es der eher schlichte Bau von außen vermuten lässt. Die gestreiften Backsteinsäulen gliedern denn Hallenbau und verleihen ihm nicht nur himmlische Höhe, sondern auch eine besondere Tiefe. Für mich ist sie eine der schönsten Kirchen am Schweriner See.
In dieser typisch frühgotischen mecklenburgischen Backsteinkirche ist einiges zu entdecken. Geschichten und Geschichte hat sich in ihr angesammelt.
Ritter Helmhold ist leibhaftig zu sehen.
Die mittelalterliche Plastik erinnert formal an die Uta im Naumburger Dom und war für mich das Hauptkunstwerk der Kirche und eine Überraschung schlechthin. Nicht von ungefähr ist der weltliche Ritter hier zu sehen. Denn der stolze Mann soll den Bau dieser Kirche angeordnet haben, bevor er nach Jerusalem pilgerte, um für seine Aufnahme in den Himmel an geeignetem Ort zu bitten.
Leider fehlt an dieser Plastik die ursprüngliche Farbfassung und einiges ist wohl nicht mehr im Urzustand. Der Gesamteindruck ist jedoch sehr gut.
Neben dieser Plastik sind noch zwei weitere, vermutlich auch aus dem Mittelalter stammende, Plastiken zu sehen. An der hölzernen Madonna sind Reste der Farbfassung zu sehen.
Der gotische Altar wird leider durch eine Malerei, ich vermute aus dem 19. Jahrhundert, verunstaltet. Dadurch leidet der Gesamteindruck der Dorfkirche von Hohen Viecheln jedoch nicht wesentlich. Denn das guckt sich weg.
Sehr interessant war für mich das Fragment eines Renaissance-Altars, das an der Südwand der Hallenkirche angebracht ist. Obwohl das Rahmenwerk verloren ist – ein imposantes Stück. Drei geschnitzte Motive zeigen Abendmahl, Kreuzigung sowie die Auferstehung.
Der gewaltige Taufstein ist archaischer Natur und vermutlich aus dem frühen Mittelalter.
Die aus dem 16. Jahrhundert stammende Kanzel wiederum ist filigraner Natur und von zwei Figuren flankiert.
Die heilige Katharina ist links und die Mondsichelmadonna rechts zu sehen
In der Vorhalle der Dorfkirche Hohen Viecheln ist eine Kreuzigungsgruppe aus der Zeit um 1500 und leider viel zu viel zeitgenössisches Kirchenwerbematerial zu finden. Jedoch ist die Kirche noch in Gebrauch und benötigt für ihren eigentlichen Zweck Kundschaft. Obwohl absehbar ist, dass Gotteshäuser in nicht allzu ferner Zukunft zur Stätten der kulturellen Erinnerung werden wie griechische Tempel oder die ägyptischen Pyramiden. Alles hat seine Zeit.
Kunsthistorisch eher nicht von großer Bedeutung ist der große Kanonenofen. Dieser Begriff ist hier sehr passend, denn das phallisch in die Höhe gestreckte Rohr ist gewaltig.
Vergleiche sind immer gewagt. Die Dorfkirche ist mit ihrem Sammelsurium an Kunst und liturgischen Gerät aus mehreren Epochen eine Art Wohnstube der Gläubigen. Denn in Wohnzimmern sammelt sich über die Zeit einiges an und man möchte sich nicht trennen. Und das ist auch gut so.
Die Kirche Ste-Marie-Madeleine von Vézelay in Frankreich ist – obwohl von einer gänzlich anderen Bedeutung und Größe – eine Art Gegenentwurf. Ihre Innenausstattung ist geradezu puristisch und allein auf die Architektur ausgerichtet.
INFOBOX
Hohen Viecheln liegt am nördlichen Schweriner See. Es sind 15 Kilometer bis Wismar und somit an die Ostsee. Also ist die Lage dieses mecklenburgischen Dorfes ideal für einen Urlaub. Von Hohen Viecheln aus kann man gut und weit wandern. Auf dem See rudern und angeln ist fast Pflicht.
Am wundervollen Strand des Sees gibt es einen für Kinder idealen Badestrand mit Möglichkeit zum Ballspiel. An trüben Tagen ist man schnell in Schwerin und kann Schloss, Museum oder das bekannte Theater besuchen.
Hohen Viecheln ist auch für lange Radwanderungen um den Schweriner See und an die Ostsee ein hervorragender Ausgangspunkt.