Großes Theater in der Grablege im Dom zu Freiberg
Ein kunstgeschichtlicher Erlebnispark in der Silberstadt.
Unweigerlich muss man an opulente italienische Opern denken, wenn man die Grablege der Wettiner im Freiberger Dom betrachtet. Wer so trauert, hat wohl gut gelebt.
Natürlich konnte solch ein großes Theater in der Grablege im Dom zu Freiberg nur von einem italienischen Tausendsassa der Künste inszeniert werden.
Giovanni Maria Nosseni hatte ein bewegtes Leben und war als Architekt, Bildhauer und Impresario der Künste tätig.
Für sein eindrücklichstes Werk und bedeutendes Musterbeispiel des Manierismus in Deutschland verpflichtete er natürlich in Italien Bildhauer, Bildgießer und Steinmetze.
Von der Anwerbereise in seiner Heimat brachte Giovanni nebenbei auch 600 Kristallgläser aus Murano für den fürstlichen Hof mit. Nicht kleckern, – klotzen war angesagt.
Der Dom St. Marien zu Freiberg gleicht einem kunstgeschichtlichen Lehrpfad von der Romanik bis hin zum Jugendstil. Gerade dies macht ihn so einzigartig.
Auf dem Weg von der Renaissance zum Barock hatte der Manierismus einen kurzen, aber pompösen Auftritt.
Richtig abzugrenzen ist er jedoch nicht. Denn schon Michelangelo hat in meinen Augen eine Neigung zur überhöhten Manier und wird nicht generell dem Manierismus zugerechnet.
Auch wenn nicht bei jeder Figur belegt werden kann, welcher Bildhauer sie fertigte, so ist bekannt, dass Giovanni Maria Nosseni, der Tausendsassa der Künste, neben all seinen Aufgaben im sächsischen Land umherschweifte und Marmor- sowie Alabastervorkommen erschloss, mit deren Stein seine Wanderkünstler arbeiten konnten.
Großes Theater in der Grablege im Dom zu Freiberg entsteht vor allem durch die überbordende Fülle der gestalterischen Elemente.
Wie es auch anderen künstlerischen Richtungen und Einzelpersönlichkeiten geschah, hatte und hat der Manierismus zum Teil bis heute noch einen schlechten Ruf. Lange wurde er negativ als antiklassische Kunst diffamiert. In unseren Tagen wird er langsam wieder „Kunsthoffähig“.
In Zeiten der allgemeinen Stillosigkeit, also unserer Gegenwart, betrachte ich bildnerische Konzepte zuerst nach ihrem Handwerk und versuche sie für mich ästhetisch einzuordnen. Denn Manierismus ist auch in der Gegenwart in den Künsten anzutreffen. Und dies im Gegensatz zum Beschriebenen nicht immer ansehnlich.
Der Altar in der Grablege im Dom zu Freiberg.
Die lebensgroßen Bronzefiguren sind einzigartig für Deutschland. Der Schöpfer dieser Figuren Carlo di Cesare del Palagio erhielt unter anderem in der Werksatt von Giorgio Vasari seine Ausbildung. Deshalb wird der Bildhauer und Bildgießer Palagio als Vermittler der Stilformen der Spätrenaissance in Deutschland angesehen.
Manierismus ist eine ästhetische Grundhaltung, welche zyklisch auch in der Alltagskunst immer wieder auftritt.
Derzeit kommt ein neuer Einrichtungstrend mit dem Namen Cluttercore in Mode. Menschen richten ihr zu Hause wieder als Wunderkammer des Überflusses ein. Ob sich dieser Trend durchsetzt, ist noch nicht ausgemacht. Jedoch hat er alle Merkmale des überbordenden Manierismus, denn er folgt dem Prinzip des formalen Überflusses.
Freilich wird der Einrichtungsstil des „Mehr ist mehr und besser“, vermutlich wiederum von einem neuen Purismus abgelöst und die Müllcontainer quellen von dem bunten Zeugs über, sobald sich ein neuer Trend durchsetzt.
Ist diese bunte Anhäufung von Gegenständen einer inneren Leere geschuldet und findet dies ihren Sinn darin, die Realität zu verdrängen?
Wie auch immer. Großes Theater in der Grablege im Dom zu Freiberg ist eine Ansammlung von Kunstgegenständen, die den Betrachter anfänglich überfordert. Schaut man sich die einzelnen Gegenstände jedoch genauer an, wird klar, dass sie von außerordentlicher Qualität sind.
In meinem Text – Die Kunst vor der Kunst – versuche ich den Begriff des Handwerkes im Bezug auf die künstlerische Qualität einzuordnen. Damit sind wir bei dem Unterschied von Kunst zu Nippes. Denn es geht nicht um das was, sondern darum, wie es gemacht ist. Das der Mensch Grenzen austestet, ist natürlich. Dabei schießt er gelegentlich über das Ziel hinaus.
Die aus einer Art Pappmaschee plastisch gestaltete Decke des Chors, in der sich die Grablege der Wettiner befindet, weist alle Merkmale eines Bühnenbildes auf.
Außerdem sind die Instrumente echt. Restauratoren habe sie abgenommen und untersuchen lassen. Die 21 Originalinstrumente hat man nach 2004 exakt nachgebaut. Sie sind spielbar und bilden ein einzigartiges Ensemble.
Die 29 ziselierte Messinggrabplatten der Grablege im Freiberger Dom stammen aus der Freiberger Hilliger – Gießerei.
Giovanni Maria Nosseni inszenierte nicht nur die Hochzeit des künftigen Kurfürsten Christian 1. von Sachsen, sondern gestaltete auch Aufzüge und Maskeraden und nicht zuletzt den Fastnachtsumzug 1609 in Dresden.
Interessante Links:
Die Wettiner sind eines der ältesten nachgewiesenen Adelsgeschlechter in Deutschland
Weitere Beiträge zu Freiberg auf meinem Blog | Das Größte Instrument der Welt.