Frauenraub gehört sich nicht.
Nett war es damals nicht. Die antiken Griechen belagerten gelegentlich Königreiche und eroberten diese nach langem Hin und Her mit selbst gebastelten Holzpferden.
War dies erledigt, töteten die Sieger den feindlichen König samt seinen Söhnen. Anschließend wurden die weiblichen Angehörigen der Massakrierten unter den Eroberern gerecht aufgeteilt. Davon berichtet nicht nur Homer. Die attische Demokratie war nicht zimperlich. Wer sich ihr verweigerte, wurde mit Krieg überzogen – Frauen und Kinder versklavt.
Frauenraub wurde jedoch auch als nötig erachtet, wenn der eigene Stamm nicht in ausreichender Anzahl gebärfähige Frauen hervorzubringen vermochte.
Der Mythos des Raubes der Sabinerinnen beschreibt dies, und der römische Dichter Ovid treibt die Tatsache des Frauenraubes in seinen Texten auf die Spitze. Ich zitiere eine Stelle aus der „Liebeskunst“: »Du magst es Gewalt nennen, willkommen ist diese den Mädchen; was sie freut, wollen sie oft nur widerwillig hergeben. (…) Phoebe erlitt Gewalt, Gewalt wurde der Schwester angetan; jedoch beiden Geraubten waren die Räuber erwünscht. « Ovid war demnach aus heutiger Sicht ein typisch männlicher Mann alten Schlages.
Auch wenn wir heute Menschenraub verabscheuen und mit harten Strafen ahnden, für die Kunst konnte und kann es nicht dramatisch genug sein.
Wer nacktes Fleisch darstellen wollte, musste sich der Mythologie bedienen. Verschränkte, verknäulte Leiber bedurften einen religiösen (Höllensturz-Himmelfahrt) oder eben den Hintergrund der antiken Mythologie.
Der Michelangelo im Rubens wird im Gemälde „Der Raub der Töchter des Leukippos“ sehr deutlich. Malte Michelangelo zu seiner Zeit die Genitalien, wie sie Gott schuf, so verschwanden diese bei Rubens hinter drapierten Stoff. Heute sind nicht nur derartige Darstellungen, sondern Nacktheit an sich in der zeitgenössischen Kunst hochumstritten und werden in einem Akt der Selbstzensur möglichst dem kritischen Auge des Betrachters entzogen.
1962 schrieb die französische Philosophin Maryse Choisy in ihrer Abhandlung „Kunst und Sexualität“: „Es dürfe wohl klar sein, weshalb sich die Literatur weder vor dem Marxismus, noch vor der vom Psychoanalytiker verlangten Gesundheit, noch selbst vor den Forderungen der Moral beugen darf.“
Nun ist es jedoch so, dass ein Kunstwerk und der darin verhandelte Tatbestand nicht mit der Tat gleichzusetzen ist. Freilich kann man Rückschlüsse ziehen. Vorsicht ist in jedem Fall vor Pauschalisierungen geboten. Die Verabsolutierung gesellschaftlicher Problematiken in Bezug auf die Kunst hat nichts mit deren Anspruch zu tun. Ästhetische Erfahrungen ermöglichen die Orientierung in der Welt. Wenn man diese ausdünnt, beschneidet man den Horizont der Wahrnehmung.
„In Wahrheit ist der Horizont der Gegenwart in steter Bildung begriffen, sofern wir alle unsere Vorurteile ständig erproben müssen. (Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode, Tübingen 1990, 311)
In dem Augenblick, in dem wir der Kunst Zügel anlegen, wie in dem #MeToo Streit um nackte Frauen in den Museen, berauben wir uns durch diese Tabuisierung der echten Auseinandersetzung, die eventuell hervorbringt, dass das Problem auf einer anderen Ebene liegt als proklamiert.
Geht es um Kunst an sich oder lediglich um eine Art pseudo-femininer Randale?
Nachdem ein umstrittenes, lange eingemauertes Gemälde des Prunkmalers Hans Makart wieder an das Licht der Öffentlichkeit kam und in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wird, geht es wie auf Bestellung wieder los. Ein neuer Hashtag wurde geboren #MakartNow. „Hans Makarts Bild steht im wahrsten Sinne des Wortes für imperialistische, männlich Dominanz ….) ist zu lesen. Die Hamburger Kunsthalle hat zum Zweck der Meinungsäußerung für dieses Bild einen eigenen Blog angelegt und den Hashtag #MakartNow selbst in Umlauf gebracht, bevor dies durch andere geschieht.
Der Erfolg ist dürftig. Da bekommen laszive Influencerinnen auf Instagram erheblich mehr Likes.
Bemerkens- und bedenkenswert ist jedoch diese Äußerung eines Teilnehmers der Diskussion auf Twitter.
Um einiges lockerer geht man in Wien mit dem Thema Sexualität, Nacktheit in der Kunst um wie ich in meinem Blogbeitrag „Verschmähte Bilder wiedergefunden und hoch geehrt“ beschrieben habe.
Verwendete und weiterführende Literatur.
Verweise: Henry Keazor „Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lässt.“ Manipulation und Fälschung in der Kunst.
Gerbert Frodl | Hans Makart Werkverzeichnis der Gemälde
Nike Wagner | Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Wiener Moderne
Bettina Rabelhofer Symptom, Sexualität, Trauma | Kohärenzlinien des Asthenischen um 1900
Doris H. Lehmann | Historienmalerei in Wien | Anselm Feuerbach und Hans Makart im Spiegel zeitgenössischer Kritik
Hans-Joachim Neubauer | Fama | Die Geschichte des Gerüchts
Texte aus dem www. sind verlinkt.
SRF | Kunst und Krieg
Dr. Murray G. Hall | Bettauer „Erotische Revolution
Dies ist ein Blog-Text und erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Er ist jedoch nach besten Wissen und Gewissen erstellt.
Schönheit, Erotik, Mord und Ideologie ist der 2. Text aus einer Reihe von Texten rund um die Wiener Kunst der Jarhundertwende.
- 1. Blog-Beitrag: Frauenraub gehört sich nicht!
- 2. Blog-Beitrag: Wolfgang Ullrich der Kunstbenutzer
- 3. Blog-Beitrag: Schönheit, Erotik, Mord und Ideologie
- 4. Blog-Beitrag: Ein Porträt kann Bildnis sein