Bratwurststand auf dem Bahnhof Hannover
Oder die positive Auswirkung einer Zugverspätung
Die beste Bratwurst kann man nicht suchen, man findet sie.
Der Bratwurststand auf dem Bahnhof Hannover war mir so unbekannt wie der Bahnhof von Hannover an sich. Zugegeben, Hannover liegt bei der Wahl meiner Reiseziele nicht ganz oben. Obwohl ich gern im Museum Sprengel war. Damals interessierte ich mich noch für Kunst. Fuhr ihretwegen mit dem Auto kreuz und quer durch das Land und die Bratwurst an sich und die Erforschung derselben hatten für mich nicht die erste Priorität. Bis ich begriff, dass wir viel von der Bratwurst lernen können.
Die beste Bratwurst von Hannover bekommt man, wie schon erwähnt, an dem Bratwurststand auf dem Bahnhof Hannover.
Ich gebe zu, das hier gezeigte Foto dieser hervorragenden Wurst ist nicht besonders gut. Bratwürste sehen in der Regel äußerlich ziemlich gleich aus. Mit Ausnahme der Totgegrillten in Leipzig. Denn jene waren aufgeplatzt und hatten ihren Saft verloren und damit den Geschmack.
Obwohl diese Bratwurst eine der hochgelobten Thüringer war, wird deren Totenglöckchen ausgerechnet in Hannover geläutet.
Einerseits hängt die Qualität der gegrillten Bratwurst von deren Behandlung ab.
Unausgebildeten Wurstgriller und Wurstgrillerinnen sind das eine. Andererseits ist die Sache mit der Wurst ähnlich wie die mit dem Leben. Erfolg verträgt nicht jeder. Erst kommt Übermut und dann die Gier.
Die Thüringer Bratwurst hat eine sehr lange Tradition.
Das älteste nachgewiesene Bratwurstrezept soll aus dem Jahr 1432 stammen. Natürlich sind in der Thüringer Bratwurst gewisse Gewürze, die deren Geschmack bestimmen sollen. Jedoch geht es zuallererst um die Qualität des Fleisches. Was sagt uns das. Wer schnell viel Kohle machen will, der verwendet billige Zutaten. Hat zu heiße Kohle unter dem Grill, weil er schnell verkaufen möchte und macht damit alles kaputt. Die Wurst als auch den Ruf derselben.
Nach mehreren Anläufen und einer fünfjährigen Streiterei mit Konkurrenten wurde die Thüringer Bratwurst am 3. Januar 2003 von der EU in Bezug auf die geografischen Angaben geschützt. „Die Kommission wird gemäß Artikel 6, Absätze 3 und 4 diese Bezeichnung in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben eintragen“.
Und was bedeutet das. Jedenfalls nix Gutes für die Qualität. Jeder Thüringer Wurstproduzent kann beliebiges Fleisch in seiner Wurst verwursten, wie er will.
Die geografische Herkunft ist lediglich ein Marketinginstrument und ermöglicht es gutgläubigen Verbrauchern eine eben nicht so gute Bratwurst teuer zu verkaufen.
Der Bratwurststand auf dem Bahnhof Hannover hingegen hat eine Bratwurst, die nicht nur gut gegrillt ist, sondern auch hervorragend – ja unvergleichlich – schmeckt. Und woran liegt dies. Natürlich am Inhalt. Das Strohschwein aus dem Landkreis Celle überzeugt ringsum. Und dass diese hochwertige Bratwurst auch noch um einiges günstiger ist, als die Thüringer Massenbratwürste in der Leipziger Innenstadt sein nur nebenbei erwähnt.
Bei so viel Euphorie gibt es doch eine Wurstsafttropfen. Denn die Schinkengriller vom gleichen Stand ist zäh und salzig. Leider auch der Darm hart und ledrig. Vermutlich ist der Umsatz zu gering und die Wurst lag zu lange auf dem Grill.
Wenn ich ihnen eine andere grobe Wurst empfehlen darf? Probieren Sie die von mir für des Weltkulturerbe vorgeschlagene Kölner Mett auf dem dazugehörigen Hauptbahnhof.
Resümee. Fahren Sie mit der Bahn! Ein verpasster Anschluss kann zu Entdeckungen genutzt werden.
Meiden Sie jedoch den Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe!
Kassel hat nicht nur ein Dokumentaproblem, sondern auch ein Bahnhofsproblem. Architektonisch eine Katastrophe. Verspäteter Brutalismus der unmenschlichen Art und der erste größere Bahnhof, den ich erlebte, auf dem man keine Wurst bekommt. Keine Bratwurst, keine Bockwurst, keine Wiener und auch keine Frankfurter. Ein Bahnhof ohne Wurst ist kein Bahnhof!