Aus Kunst wird Kunst gemacht – Artrecycling
Alles hat seine Vergangenheit. Nicht nur der Mensch, sondern auch die Dinge, welche ihn umgeben.
Artrecycling ist die Zukunft.
Vor allem aber die Gegenstände, die er selbst erschuf, erzählen Geschichten. Nicht nur ihrem Wesen nach, sondern auch durch das, was mit ihnen geschah. Manches verschwindet einfach oder wird durch einen Zufall gerettet und somit zu einer Form des Artrecycling.
Die in letzter Zeit von mir als (Mal) Grund meines Tuns benutzten Heliogravüren haben eine diffizile Geschichte und wurden zum Objekt eines Artrecycling.
Viele Jahre sind die Mappen mit dem Gemäldereproduktionen in meinem Besitz. Ich wusste nicht recht, was ich mit ihnen anfangen sollte. Freilich sind die Reproduktionen brillant und haben einen geradezu haptischen Charakter. Aber sie sind schwarzweiß. Wir sehen heute alles farbig – mancher auch nur noch bunt – und ein Bildband ist ohnehin schon lang nichts mehr wert. Im weltweitem Netz ist alles zu finden und so manches wird lediglich oberflächlich konsumiert.
Die mit Hilfe der Technik der Heliogravüre reproduzierten Kunstwerke sind zwar edle Drucke, taugen aber für unsereins nicht um Erkenntnisse über die Kunstgeschichte, und der Malerei im Speziellen, zu erlangen.
Faszinierend ist jedoch die 1879 von Karl Klietsch entwickelte Drucktechnik. Sie ist eng mit der Technik der Aquatintaradierung verwand. Auf die vorbereitete Kupferplatte wird eine lichtempfindliche Schicht aufgebracht, belichtet und geätzt. Kurz gesagt. Also ist es ein Tiefdruck höchster Qualität und schon fast ein wenig selber Kunst. Diese Drucke Wegzuwerfen wäre schade, zumal ich die Mappen vor vielen Jahren vor ihrer Vernichtung rettete.
Ich war Student. Nicht bitterarm aber oft durstig.
Wir hatten eine Stammkneipe in Leipzig-Connewitz. Die Erholung. Da verkehrten Stahlarbeiter, Russische Offiziere und auch Käthe. Eine Prostituierte aus den 20er Jahren. Sie war die Seele des Lokals, konnte aber nicht jeden Streit schlichten. Also ging hin und wieder Mobiliar zu Bruch und auch die eine oder andere Scheibe splitterte nicht ganz geräuschlos, wenn den Worten die Schläge folgten. Das war rustikal, so wie wir es von Maler Adriaen Brouwer kennen.
Es war ein entsetzlich kalter Winter. Der Winter 1978/79. Am 1. Januar tritt das ein, worauf wir warteten – der DDR Blackout.
Heimlich freuten wir uns, da die sozialistische Planwirtschaft wiedereinmal gezeigt hatte, zu welch außerordentlichen Leistungen sie fähig war. Aber wir froren auch. Kohle musste her. Gegenüber der Hochschule für Grafik und Buchkunst steht das herrliche Gebäude der Universitätsbibliothek. Die Kellerfenster standen meist offen. Da ja alles Volkseigentum war, entliehen wir uns an diesem heiligen Ort der Bildung regelmäßig Kohlen, um unsere Schaffenskraft durch den harten Winter zu retten.
Im Kohlenbunker der Unibibliothek lagen sie. Die Bildbände von Wilhelm Bode waren für das Feuer gedacht.
Nicht des gefährlichen Inhalts wegen, sondern die grassierende Dummheit war der Grund für die geplante Vernichtung von Kulturgut. Die Not an Brennmaterial natürlich auch. Selbstlos rettete ich die Bildbände, welche in dem Fall Mappen mit den eingelegten Heliogravüren sind.
Vor Jahren versuchte ich mich schon einmal an den kostbaren Stücken. Dann kam wieder etwas dazwischen. Kunst, Romane – was weiß ich. Gelegentlich ordnet man Dinge und öffnet Schubladen. Da waren sie wieder – die mich an meine wildesten Jahre erinnernden Blätter. Sie tauchten auf wie aus dem Nichts.
Als gesetzter Mann setzte ich mich an meinen Arbeitsplatz und dachte darüber nach, was mit diesen frühen Fundstücken zu tun sei.
Dann malte ich den einen oder anderen Gegenstand zu dem vorhandenen Werk und fand Freude daran, wie sich Dinge verbinden, die so nicht gedacht waren, aber durchaus möglich sind und zu Neuem führen
Es entstanden eigenartige, kunstgeologische Schichten. Was dies nun sei, fragt sich der Betrachter?
Surrealismus oder was auch immer, mag der Betrachter entscheiden. Neu ist diese Kunstform jedoch nicht. Irgendwie ist es eine Collage und wieder auch nicht. Nicht geklebt aber gemalt. Um Sie hier nicht mit einer Kaskade von Namen zu belästigen, hier der LINK, so Sie Interesse haben. Also ich bin einer von vielen und das ist auch gut so. Denn Neu hat nichts mit Qualität zu tun.
Zumindest bekomme ich keinen Ärger mit den Urheberrechten meiner Kollegen, da diese ihren wohlverdienten Ruhestand schon ein wenig länger als die vorgeschriebenen 70 Jahre im Kunsthimmel verbringen.
Obwohl ich mit diesen Arbeiten natürlich etwas ausdrücke, meine ich nichts Bestimmtes. Diese gemalten Collagen sind, von sich aus, hintersinnig. Und wenn man sie betrachtet, kann man durchaus überrascht sein. Denn da leuchtet der Pilz und die Zitrone hängt vom Himmel herab.
Was will man mehr. Alles ist am rechten Fleck und wohl bedacht und doch zugleich dem Zufall geschuldet.
Wenn Sie in vierzehn Tagen an diese Bilder zurückdenken und sich bildhaft an diese erinnern, waren diese gut. So sehe ich die Kunst. Da benötigt man keine lange Analyse. Denn es gibt für sie nur ein Maß. Und das ist die Zeit. Alles andere ist eine Hypothese.