Schöpfungsgeschichte der fliegenden Fische
Der fliegende Fisch – Schöpfungsgeschichte der fliegenden Fische
Erna Schätzle und Reinhold Schätzle, zwei Frühpensionäre aus dem Schwäbischen, unternahmen ihre achtzehnte Kreuzfahrt in der Karibik als das unfassbare Wunder geschah. Am zweiten Tag der dritten Woche standen sie halb sieben in der Früh in der Schlange vor dem Frühstücksrestaurant um ihren Lieblingstisch am Heck Backbord im Freien zu ergattern.
Reinhold Schätzle hatte, als ehemaliger Regierungspräsidiumsbeamter und Oberstudiendirektor, nicht nur ein Durchsetzungsfähiges und Respekt einflößendes Auftreten, sondern auch einen grauen dicht gewachsenen Schnurrbart und eine Hornbrille im Gesicht.
Nachdem sie blitzschnell ihren Tisch besetzt hatten, gingen die beiden abwechselnd zu den diversen Büfetts. Einer hielt die Stellung und wehrte jene Gäste ab, die es wagten ihrem – acht Plätze zählenden – weiß lackierten Tisch zu nahe zu kommen. Ein grimmiges Lächeln – mit nebstbei kurz geschütteltem Kopf – reichte meist um solch ein unverschämtes Begehr im Ansatz abzuwehren.
Da die Hurricane-season schon begonnen hatte und an diesem denkwürdigen Tag keiner der Gäste draußen frühstücken mochte, weil zu befürchten war die aufwendig gesteckte und geföhnte Frisur der Gattin käme durcheinander, waren die beiden so entspannt wie selten auf einer ihrer Reisen. Erna und Reinhold hatten strenge Gütertrennung aber trotzdem brachte die Frau ihrem Mann heute eine Kleinigkeit zum Essen mit, weil der leuchtend rote Kaviar der Lachsforelle immer schneller wegging als man da war.
Also – sie hatte ein mittelgroßes Glas unter einer Serviette versteckt und auf dem Tablett angeschleppt, konnte jedoch, wegen der lästigen Neigung nach dem Genuss von Kaviar fischig aufzustoßen, ohnehin nur einige kleine Löffel davon zu sich nehmen. Gern gab sie Reinhold von ihrem reichen Fang ab.
Da gekochtes Ei und Kaviar, zusammen genossen, durchaus erträglich ist, gab sich der Frühpensionär dem Genuss hin und achtete nicht auf die stärker werdenden Sturmböen.
Plötzlich fuhr ein kleiner Wirbelwind übers Heck und nahm dem verdutzten Genießer Ei samt Kaviar und Röstbrot vom Teller. Zog diese Ingredienzien, eines durchaus gescheiten Frühstücks, hoch in die Lüfte und lies alles zusammen, nahe eines lauschigen Eilandes, fallen. Grenada war es. Wie später behauptet wurde.
Die Bedingungen waren Gut und das geröstete Roggenbrot vom Bäcker Maier die rechte Unterlage um eine neue Art im Reich der Fauna entstehen zu lassen. Die Gene des Ei verflochten sich zierlich mit denen des Kaviars und es dauerte nicht länger als ein-zwei Jahre und schon fingen einige Fische an zu fliegen.
Seit dem ist die EU – und Brüssel im Besonderen – wachsam, um genau zu beobachten, ob die Beflügelung der Fische auch auf Wale und andere Großfische übergreift.
Bis jetzt sind noch keine Auffälligkeiten öffentlich bekannt geworden. Jedoch hat die NATO detaillierte Pläne ausgearbeitet, wie fliegende Haie, im Falle eines eskalierenden Streits um Fischereirechte, am besten einzusetzen wären.