Lyon ist nicht nur zum vorbeifahren da.
Wenn der Deutsche Richtung Provence oder Côte d’Azur unterwegs ist, hält ihn nichts mehr auf. Lyon ist lediglich eine Wegmarke die besagt, dass es nun nicht mehr so weit ist.
Auch mir sagte man: Lyon, weiß nicht. Dreckige Industriestadt. Oder?
Aber die Altstadt von Lyon ist immerhin UNESCO Weltkulturerbe und der berühmte Koch Paul Bocuse hat hier gewirktalso ist Lyon ist nicht nur zum vorbeifahren da. Da muss doch etwas zu entdecken sein. Klar, es gibt eine hervorragende regionale Küche. Welche Region behauptet von sich das Gegenteil.
Wer kennt nicht den berühmte Coq au Vin – den besoffenen gallischen Hahn in Wein geschmort. Aber gleich hier muss ich Wasser in den besagten Wein gießen. Die normalen Draußenhinsetztouristenlokale sind lediglich Durchschnitt, aber auch nicht schlecht. Man müsste halt suchen, aber wir waren zum gucken da und nicht vordergründig des kulinarischen Genusses wegen.
Eines wollte ich – als internationaler Wurstbuden- und Wurstforscher – doch unbedingt. Wurst mit Rotweinsoße probieren.
Diese heimliche Spezialität der Region stand auf meinem Forscherplan. Das Rezept werde ich allerdings nicht in mein Standardprogramm aufnehmen. Gewöhnungsbedürftig und wohl auch nicht mit der sogenannten Liebe gemacht.
Lyons Altstadt liegt zwischen der Rhone und der Saône, die sich am Ende der Innenstadt friedlich vereinigen.
Die Architektur erinnerte mich ein wenig an Straßburg. Jedoch ist Lyon bei Weitem nicht so überlaufen voller Nippes und anderen touristischen Ablenkungen vom Eigentlichen – der Stadt. Bemerkbar waren einige englische und amerikanische Besucher. Asiaten sind vereinzelt anzutreffen und nicht in Herden mit Schirmschwenkendem Führer wie an anderen Orten üblich.
Natürlich war die Altstadt nicht leer zu nennen. Ich vermute, dass auch viele Besucher aus Frankreich diese Stadt besuchen.
Auch aus den umliegenden Departements kommen Leute die Dinge zu erledigen haben. Der Großraum beherbergt immerhin einige Millionen Menschen und Lyon gilt nach Paris und Marseille als die drittgrößte Stadt Frankreichs.
Mir hatte man gesagt, Lyon sei eine Industriestadt. Also die Innenstadt war es jedenfalls nicht. Denn diese war ausgesprochen sympathisch und lud zum Verweilen ein. Selbst die zahlreichen Spatzen fühlen sich da wohl und vertrauen dem Gast, der sie beim Diebstahl gewähren lässt.
Mann kennt sie, die Gassen mit den kleinen Läden. Auch die typisch französische Boulangerie hat überlebt. Gott sei Dank.
Wenn ich mir unsere Teiglingaufbackläden anschaue, graust es mir. Solch eine Kulturlosigkeit einem Grundnahrungsmittel entgegenzubringen ist schnöde und widerlich.
Die Franzosen kultivieren ihre Lebensmittel und richten dem Brot gar ein Fest aus. In Grasse und anderen Städten wird dann groß gefeiert. Fête du Pain das Fest des Brotes.
Die Kultur des „Draußenseins“ hat sich bei uns auch in Deutschland durchgesetzt. Lediglich die Form ist eine andere.
Wenige Städte habe es geschafft, ihre Innenstädte so zu beleben, wie zum Beispiel Lyon. Weitestgehend autofrei und vermutlich auch mit viel weniger Restriktionen als hierzulande Gastwirte beklagen. Und – nicht zu vergessen – Frankreich ist jünger. Das merkt man einer solchen Stadt sofort an, zumal Lyon mehrere Elitehochschulen, eine Schauspielhochschule und eine Kunstakademie beherbergt.
Auch kulturell ist diese Stadt ein Muss. Das Museum der Schönen Künste in Lyon, in der Sprache der Einheimischen Musée des Beaux-Arts genannt, ist nach Aussage von Fachleuten das zweitbedeutendste Museum Frankreichs. Ich vermute, nach dem Louvre. Heute nach unserem Besuch, der durchaus viel länger hätte sein können, glaube ich dieser Aussage vollumfänglich und beschreibe das Erlebnis ausführlich, wenn Sie diesem (Link) zum BLOGBEITRAG folgen.
Obwohl mittlerweile zum Agnostiker mutiert, ziehen mich Kirchen immer noch magisch an. Freilich war ich als Junge Messdiener.
Aber eigentlich ist die Faszination für jede Art von Kunst durch den Kunstgeschichtsunterricht in frühen Jahren zu erklären.
Ich merke mir keine Zahlen und analysiere nicht jeden Stein. Schwätz auch nicht wissenschaftlich daher. Ich atme einfach ein.
Die Kathedrale Saint-Jean ist ein Zwitter aus Romanik und Gotik und von außen spektakulärer, geradezu skulptural, als von innen. Da eine Andacht begann, verließen wir nach kurzer Zeit die heiligen Hallen.
Die Kathedrale Saint-Jean hat ein beeindruckendes Portal und an der gesamten Fassade sind 300 Bildfelder zu sehen, dargestellt werden Episoden aus dem alten und neuen Testament.
Beklagen wir heute den Verlust der Erzählung in der Kunst, so war er damals und bis in das frühe 20te Jahrhundert der eigentliche Sinn, Kunst zu produzieren. L’art pour l’art, die Kunst um der Kunst willen mag eine gewissen Berechtigung haben, als alleiniger Antrieb ist dies jedoch zu wenig und führt in all zu seichte Gewässer, die meist auch noch trübe sind.
Auch Kirchen können durchaus Geschmackssache sein. Notre-Dame de Fourvière ist mir persönlich – gelinde gesagt – innen ein wenig zu überladen.
Wir sagten als Studenten zu derartigen Übertreibungen gern: sieht aus wie ne Nuttenbrosche. Diese Wallfahrtskirche protzt regelrecht auf dem Fourvière-Hügel. Der historisierende, eklektizistische Stil dieser Ende der 1800 Jahre gebauten Kirche verliert jedes Maß und ist doch ein Weltkulturerbe geworden.
Der Blick über Lyon vom Fourvière-Hügel, auf dem die Kirche steht, ist grandios und der Auf- und abstieg hatte es in sich, hat sich aber gelohnt. Meine Schrittzähler-App verzeichnete 46 Etagen. Man hätte auch mit der Bahn fahren können. Die Erfahrung eine Stadt zu erlaufen ist jedoch die intensivere.
Der lange Tag mit weiten Wegen lies uns gut schlafen, obwohl Vollmond war.
Der Tour métallique de Fourvière ist ein kleiner Eiffelturm, der auch wirklich nach den Plänen von Gustave Eiffel erbaut wurde. Er ist nicht zum Besteigen gedacht. Anfänglich war er wohl ein Aussichtsturm, hat jedoch seine Funktion geändert und ist heute ein Funkturm.
In zwei Tagen kann man sicher nicht alles sehen. Es gibt zum Beispiel noch den futuristischen Bau des Musée des Confluences mit Schwerpunkt der Naturwissenschaften. Also gilt für uns auch das nächste mal, Lyon ist nicht nur zum vorbeifahren da.
Und natürlich ein Museum für zeitgenössische Kunst. Man sollte nicht alles sehen wollen, da sich bei erhöhtem Kunstgenuss schnell Überdruss einstellt und für einen weiteren Besuch kein Grund besteht.
Auch wenn man immer zu wenig Zeit hat, das Museum von Lyon ist einen Besuch wert!