Der krumme Hund von Waldheim
Der wichtigste Ansatz, um eine wirkliche Entdeckung zu machen, ist die Unwissenheit.
Eine wichtige Errungenschaft des real existierenden Sozialismus ist die Garagenanlage.
Auch zwischen dem krummen Hund von Waldheim und dem Heiligenborner Viadukt ist eine dieser Garagenanlagen zu finden.
Der krumme Hund von Waldheim ist im Gegensatz zu den steinernen Viadukten gefährdet.
Dieses, auch für einen „Nichtingenieur“ faszinierende Stahlkonstruktion, gehört zu den Bauwerken, die vom Konstruktionsprinzip des Eiffelturms inspiriert waren. Mit der Natur verwachsen überbrückt es ein Tal. Es fügt sich in die bergige Landschaft ein und seine filigranen Strukturen werden eins mit dem Wald.
Es sieht aber nicht gut aus für dieses Baudenkmal.
Wind und Wetter setzen der Konstruktion zu. Wenn nicht bald eingegriffen wird, ist auch dieses Stück Baukultur unwiederbringlich verloren. 1896 wurde die kurze Nebenstrecke von Waldheim nach Kriebethal eröffnet. 1998 wurde auch diese Strecke endgültig ein Opfer der Verlegung des Güterverkehrs auf die Straße.
Die gesamte Bahn-Infrastruktur wurde zurückgebaut, obwohl die Papierfabrik in Kriebethal nach wie vor produziert. Rentabilität hatte wie immer die erste Priorität.
Der Ansatz, die Bahnstrecke touristisch zu nutzen, wäre eine Möglichkeit, die Strecke zu erhalten. Finanzieren wird sie diese jedoch nicht. Eine derartige Nutzung diente einerseits dem Erhalt eines historischen Stücks Technikgeschichte und könne ein Baustein zu einer dringend notwendigen touristischen Aufwertung der Region sein.
Unmittelbar am krummen Hund findet man – ein wenig versteckt – den Aufstieg zur Schillerhöhe.
Geografisch liegt Waldheim in dem tief eingeschnittenen Talkessel der Zschopau.
Kleine Bäche strukturieren die Landschaft und bilden Nebentäler. Aber die Auf- und Abstiege sind durchaus zu bewältigen. Ja sie sind besonders reizvoll und geben die Möglichkeit die Landschaft von mehreren Aussichtspunkten zu genießen.
Auch wenn es in Waldheim, das sich gerne Perle des Zschopautales nennen lässt, sehr ruhig geworden ist, so ist die Stadt doch sehr schön.
Nach 232 Stufen hat man die Schillerhöhe erreicht.
Schiller war nie hier. Jedenfalls ist nichts darüber bekannt. Da es jedoch in Deutschland mindestens einhundert oder mehr Schillerhöhen gibt, ist dies auch nicht von Relevanz. Der Nachbarort Döbeln hat eine. Geringswalde, Bad Schandau und Gera auch.
Man mochte Schiller und nannte die schönsten Aussichtspunkte nach ihm.
Jede Gemeinde, die etwas auf sich hält hat eine – eine Schillerhöhe.
Die Mitglieder des 1869 gegründeten Waldheimer Verschönerungsverein kümmern sich ehrenamtlich um die Wanderwege. Solche initiativen erreichen viel und haben Einfluss auf die Politik der Stadt. Alle Anlagen sind gepflegt und in sehr guten Zustand. Viele Ruhepunkte mit Bänken landen zu verweilen ein.
Klaffende Stadtwunden findet man in vielen kleinen und mittleren Städten Ostdeutschlands.
Eigentümer lassen ihre Häuser zerfallen oder sind nicht auffindbar. Die Politik verteilt Strafzettel an Falschparker und ist ohnmächtig, diese Entwicklung zu stoppen. Neue Baugebiete werden in der Peripherie erschlossen und wertvoller Boden versiegelt. Die Innenstädte gehen zugrunde und verlieren ihren Charakter.
Ich bin wütend und ratlos.
Die Mehrheit der Bürger nehmen diese Entwicklung gleichgültig hin, haben jedoch unablässig den Begriff Heimat auf den Lippen, ohne zu begreifen, was dieser eigentlich bedeutet. Er verweist auf den Mensch und seine Umgebung.
Die Scharfe Ecke in Waldheim gehört zum Stadtbild.
Obwohl die Ära dieser Institution schon 1961 ein Ende hatte, lebt die Scharfe Ecke allein durch ihre Aufschrift weiter. Wenig ist über die Ereignisse in dieser Eckkneipe zu finden. Allein beim Anblick dieser Location von Außen entwickeln sich automatisch Geschichten.
Das Jugendstilrathaus von Waldheim ist der dominante Bezugspunkt in der Stadt.
Der Marktplatz an sich war sehr ruhig. Einige Geschäfte noch im Betrieb. Zu viele geschlossen. Die Eisdiele gut besucht. Da es früher Nachmittag war konnten wir leider im Ratskeller nicht speisen Die Terrasse direkt über der Zschopau macht neugierig und lud ein. Auch die Speisekarte des Ratskellers in Waldheim sieht attraktiv aus. Also auf ein kommendes MAHL.
Jede Stadt hat ihre mehr oder weniger großen Töchter und Söhne.
Döbeln Erich Heckel und Waldheim Georg Kolbe. Auch wenn der Bildhauer in Waldheim lediglich seine Kindheit verbrachte und als junger Mann nach Dresden an die Kunstgewerbeschule ging, so hat er doch – wenn auch erst nach seinem Tod – in seiner Geburtsstadt eine Verankerung gefunden.
Dank der Stiftung der Enkelinnen und des Bruders des Künstlers besitzt das Stadt- & Museumshaus Waldheim eine ansehnliche Sammlung des erfolgreichen und prägenden Bildhauers Georg Kolbe (1877-1947).
Am gesamten Flusslauf der Zschopau sind wassertechnische Anlagen zu finden. Stillgelegte Anlagen werden der Natur überlassen und bilden Reservate für zahllose Kleintiere. Fischtreppen ermöglichen, dass der Artenreichtum in der Zschopau beständig zunimmt.
Nach dem Kurzbesuch in der Innenstadt machten wir uns auf den Weg zum Diedenheimer Viadukt. Ein moderner Rad- und Wanderweg führt direkt am Fluss entlang.
Das Diedenhainer Viadukt ist mit 51 Metern sehr hoch aber mit seinen 210 Metern nicht das längste der sechs Viadukte die zur sogenannten Bankrottmeile gehören. Darüber später mehr.
Direkt am Viadukt ist nicht nur ein Gasthaus mit regionaler, deftiger Küche zu finden, sondern auch eine übersichtlich gestaltete Wanderkarte.
Einem sympathisch aussehenden, selbst gebastelten Kasten waren informative Faltblätter mit der Wanderkarte zu entnehmen. Wir hatten einen eigenwilligen Rundgang geplant, um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukehren. Für solch ein verwegenes Vorhaben fehlt jedoch eine Ausschilderungen.
Also schlugen wir uns in die Büsche. Kletterten auf schmalen Wegen.
Liefen an murmelten Bachläufen entlang und kamen genau beim Heiligenborner Viadukt heraus. Der krumme Hund von Waldheim in Sichtweite.
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