Lucas Cranach der Ältere - Heinrichsaltar im Merseburger Dom
Dieser Altar wird dem berühmten Renaissance-Maler Lucas Cranach dem Älteren zugeschrieben, und stammt aus der Reformationszeit. Gleichwohl fristet er ein beinahe unbeachtetes Dasein in einer Kapelle des Merseburger Doms.
Zwar ist dieser Altar nur einer von vielen ( ca. 500 ) Werken aus Cranachs Wittenberger Werkstatt, doch hat er mich sofort in seinen Bann gezogen. Die in den Himmel ragenden Spieße fielen mir ins Künstlerauge und brachten die Schlachtengemälde von Paolo Uccello in meinem inneren Bildspeicher zum Vorschein.
Bei meiner kurzen Recherche fiel mir auf, dass Paolo Uccello drei Jahre nach der Geburt von Lucas Cranach dem Älteren starb.
Ob Cranach die Werke Uccellos kannte, wage ich zu bezweifeln. Dennoch ist das geniale kompositorische Element der in den Himmel ragenden Spieße bemerkenswert.
Die Geschichte des Heinrichsaltars
Der Heinrichsaltar entstand um 1513/1514 und wurde für den Merseburger Dom geschaffen. Zu dieser Zeit war Lucas Cranach bereits in Wittenberg tätig und hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Kunst der Region. Der Altar wurde im Auftrag des Bistums Merseburg in einer Zeit religiöser Umbrüche und dem Aufkommen der Reformation gefertigt.
Seinen Namen verdankt der Altar dem Heiligen Heinrich II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (973–1024), der eine besondere Verbindung zu Merseburg hatte. Heinrich II. gründete das Bistum Merseburg und setzte sich für den Ausbau und Erhalt des Doms ein. Daher wird er auf einer der Tafeln des Altars in einem religiösen Kontext dargestellt, verknüpft mit zentralen christlichen Themen.
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Besonderheiten und Aufbau des Altars
Der Altar ist ein Flügelaltar, der in seiner geöffneten Form die Kreuzigung Christi zeigt – ein häufiges Motiv in Cranachs Kunst. Typisch für seinen Stil sind die detailreichen Figuren, die kräftige Farbgebung und die realistische Darstellung der menschlichen Gestalt. Um die zentrale Kreuzigungsszene sind verschiedene Heilige und biblische Figuren gruppiert, darunter der Heilige Heinrich, der als Schutzpatron des Doms verehrt wird.
Besonders hervorzuheben ist Cranachs einzigartige Darstellung der Heiligen: Sie wirken sowohl andächtig als auch mit menschlichen Zügen versehen, was sie für die damaligen Betrachter nahbarer machte. Der Heilige Heinrich wird in einer betenden Haltung gezeigt, gekleidet in prächtige Gewänder, die sowohl seine weltliche Macht als auch seine tiefe Frömmigkeit symbolisieren.
Die äußeren Flügel des Altars, im geschlossenen Zustand sichtbar, zeigen schlichte, aber ausdrucksstarke Malereien, die den Ernst der religiösen Botschaft unterstreichen. Diese Flügelmalereien sind typisch für Cranachs Arbeiten und demonstrieren seine Fähigkeit, religiöse Tiefe und künstlerische Schönheit zu vereinen.
Warum steht der Lucas Cranach der Ältere – Heinrichsaltar im Merseburger Dom in einer kleinen Kapelle?
Es ist überliefert, dass der Heinrichsaltar ursprünglich im Hochchor des Merseburger Doms aufgestellt war und dort eine zentrale Rolle in der Liturgie spielte. Im Laufe der Jahrhunderte kam es jedoch zu vielen Umgestaltungen im Dom, insbesondere nach der Reformation und im Barock. Dabei wurden zahlreiche Altäre, auch der Heinrichsaltar, aus dem Hauptschiff entfernt, da jede Epoche glaubte, bedeutendere Kunstwerke hervorzubringen.
Der Altar wurde in eine kleinere Seitenkapelle des Doms verlegt, um ihn vor möglichen Beschädigungen zu schützen und einen ruhigeren Rahmen für seine Betrachtung zu schaffen. Die Platzierung in diesem intimen Raum betont seine spirituelle und historische Bedeutung. Die Kapelle schafft eine Atmosphäre der Andacht, in der Besucher die Kunstwerke in Ruhe und Nähe betrachten können – sofern sie den Weg dorthin finden.
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Interpretation des Altars
Der Heinrichsaltar wird heute als Ausdruck der Verbindung zwischen weltlicher Macht und religiöser Autorität im späten Mittelalter und der Renaissance verstanden. Die Darstellung des Heiligen Heinrich steht symbolisch für die Rolle des Kaisers als Beschützer und Förderer der Kirche. Die feinen Details und die menschlichen Züge der Figuren spiegeln sowohl Cranachs künstlerisches Können als auch seine reformatorischen Ideen wider.
In Cranachs Werk wird der Heilige nicht als unerreichbarer, idealisierter Herrscher dargestellt, sondern als Mensch, der in seiner Frömmigkeit und seinem Glauben ein Vorbild ist. Dies entsprach der reformatorischen Auffassung, Religion als etwas dem einzelnen Gläubigen Nahezubringendes zu begreifen. Dieses Wollen scheint in unserer Zeit endgültig zu scheitern. Was jedoch bleibt, ist die Kunst.
Die zeitgenössische Cranach-Rezeption ist am Verkümmern
Musste ich 1975 im Grundstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig – übrigens an einem Samstagmorgen – noch einen Cranach in seiner Technik kopieren, so erreichen viele angehende Künstler heute nur noch ihr oberflächliches Ziel, Teil des eitlen Kunstmarktes zu sein. Und scheinbar innovatives hervorzubringen, was letztendlich die Haltbarkeit eines Munsterkäses hat.
Natürlich schlägt sich diese Geschichtsvergessenheit auch in der heutigen Rezeption nieder. Cranach scheint derzeit völlig uninteressant zu sein. Während er in Weimar noch allgegenwärtig ist, dreht sich auf der Augustusburg alles um Bikertreffen.