Schönheit, Erotik, Mord und Ideologie
Oder warum sich Künstler gegen Zensur wehren sollten.
Man muss keine Grundlagenforschung betreiben und das Werk von Vilfredo Pareto „Der Tugendmythos und die unmoralische Literatur“ aus dem Jahr 1911 gelesen haben.
Oder sich gar die Rede von John Milton aus dem Jahr 1644 zu Gemüte führen. Eine gute Schulbildung sollte genügen, um die Freiheit, – wozu auch die Kunstfreiheit gehört, – zu begreifen und schützen zu lernen. Denn Schönheit Erotik Mord und Ideologie müssen zusammen betrachtet werden.
Durch die Staatsanwaltschaft beanstandet. Achtung Pornographie!
Auch ein paar Jahre Praxisbezug in der sowjetisch besetzten Zone müssen nicht sein, um zu wissen wie wertvoll Freiheit ist.
In meinem Fall von 1954-1986 und von 1984 bis 1986 Ausstellungsverbot. Diese Erfahrung macht einen jedoch besonders spitzwinklig aufmerksam und zuweilen zur Konfrontation bereit.
Wegen eben dieser Jahre bin ich also ausgesprochen empfindlich, wie man meinem Text Wolfgang Ullrich, der Kunstbenutzer entnehmen kann. Darin belege ich seine Falschbehauptung im Zusammenhang mit dem Vorgang #MakartNow der Hamburger Kunsthalle. Die Behauptung, Hans Makart hätte auf dem Gemälde „Der Einzug Karl des 5. in Antwerpen“ Damen der Gesellschaft ohne ihr Wissen abgebildet ist schlicht falsch.
Makart hat sie weder bloßgestellt, noch nutzte er sie aus. Im Gegenteil drängten sich die Damen danach, vom Meister gemalt zu werden.
Trotz meines Hinweises ist der Text bis heute online. Hat dies etwas mit Arroganz oder lediglich mit Ignoranz zu tun?
Meine Recherche zur Wiener Kunst führte mich jedoch weiter, denn dieser unschöne Vorgang hat mein Interesse an dieser Zeit geweckt. Was für einen Stellenwert hatte Makart und welchen Einfluss auf die folgenden Generationen von Künstlern? Wieso hat er solch einen üblen Ruf. Dazu und zu anderen Aspekten aber später mehr.
In Folge dieser erweiterten Suche stieß ich auf einen Text von Dr. Murray G. Hall über Hugo Bettauers „Erotische Revolution“. Der Wiener Schriftsteller und Journalist wurde am 26. 03. 1925 ermordet. Er war umstritten und geliebt, gehasst und angefeindet, aber auch erfolgreich. Literarisch, so bemerkt Dr. Murray G. Hall jedoch nicht unbedingt nobelpreisverdächtig.
Darum soll es hier auch nicht gehen. Nobelpreisverdächtige Literatur ist auch heute eher selten anzutreffen.
In der ersten Ausgabe seiner Zeitung „ER UND SIE“ ruft Bettauer nichts weniger als „Die erotische Revolution“ aus. Aber nicht nur dies. Er fordert einiges mehr und viel unverschämteres. Nicht nur das den Dirnen verweigerte Wahlrecht, sondern schon zuvor das Recht auf Selbstbestimmung für die Frau. Abschaffung des Abtreibungsverbots, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Wohnungsnot. Irgendwie kommt mir dies zeitgemäß vor.
Durch die Staatsanwaltschaft beanstandet. Achtung Pornographie!
Als Beweisstücke für die Anklage wegen des Tatbestands der Verbreitung von Pornografie dienten der Staatsanwaltschaft die hier abgebildeten Gemälde von Tizian und Jacopo Palma Vecchio die Bettauer in seiner Zeitschrift veröffentlichte.
Nach einer öffentlichen Hatz auf Hugo Bettauer und dessen Verunglimpfung durch politische Würdenträger wird dieser am 26.03.1925 von dem nationalsozialistisch sozialisierten Otto Rothstock in Bettauers Büro erschossen. Der Täter, der schlecht lesen und schreiben konnte, gab zu Protokoll die deutsche Jugend vor den sittenverderbenden Einfluss Bettauers schützen zu wollen. Rothstock wird wegen Mordes verurteilt und nach zwei Jahren als freier Mann entlassen.
NACHTRAG.
Die Ausstellung „Trotzdem Kunst“ aus dem Jahr 2014 im Leopold Museum Wien dokumentierte, wie unterschiedlich die Künstler auf den 1. Weltkrieg reagierten.
Wir kennen es aus Deutschland. Viele erhofften sich von diesem Krieg „eine Reinigung der europäischen Kultur.“
Thomas Mann, Ludwig Wittgenstein und Robert Musil aber auch einige Maler wie Oskar Kokoschka gehörten dazu. Nachdem sich Kokoschka an der Front einen Kopfschuss und einen Bajonettstich einhandelte, wurde er übrigens zum radikalen Pazifisten.
Um so erstaunlicher ist es jedoch, dass die dezidiert erotisch arbeitenden Künstler wie Egon Schiele und Gustav Klimt dem Krieg nichts abgewinnen konnten.
Verwendete und weiterführende Literatur.
Gerbert Frodl | Hans Makart Werkverzeichnis der Gemälde
Nike Wagner | Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Wiener Moderne
Bettina Rabelhofer Symptom, Sexualität, Trauma | Kohärenzlinien des Asthenischen um 1900
Doris H. Lehmann | Historienmalerei in Wien | Anselm Feuerbach und Hans Makart im Spiegel zeitgenössischer Kritik
Hans-Joachim Neubauer | Fama | Die Geschichte des Gerüchts
Texte aus dem www. sind verlinkt.
SRF | Kunst und Krieg
Dr. Murray G. Hall | Bettauer „Erotische Revolution
Dies ist ein Blog-Text und erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Er ist jedoch nach besten Wissen und Gewissen erstellt.
Schönheit, Erotik, Mord und Ideologie ist der 2. Text aus einer Reihe von Texten rund um die Wiener Kunst der Jarhundertwende.
- 1. Blog-Beitrag: Frauenraub gehört sich nicht!
- 2. Blog-Beitrag: Wolfgang Ullrich der Kunstbenutzer
- 3. Blog-Beitrag: Schönheit, Erotik, Mord und Ideologie
- 4. Blog-Beitrag: Ein Porträt kann ein Bildnis sein