Museum der vergessenen Geheimnisse
Rezensiert Dez 2012
Ukrainische Literatur – wie die von Oksana Sabuschko – wäre in der Lage gewesen, den europäischen Autisten ein Land zu erklären, das schon immer zwischen den Mächten stand. Und unendliches Leid erfahren hat!!!
Das Museum der vergessenen Geheimnisse von Oksana Sabuschko ist ein grandioses Stück Zeitgeschichte, spannend erzählt. Wer das zerrissene Europa begreifen will, sollte sich um osteuropäische Literatur kümmern.
Ja! Dazu gehört nicht nur Dostojewski und Tolstoi, sondern auch die ukrainischen Autorinnen und Autoren sowie die SchriftstellerInnen aus Belarus.
Oksana Sabuschko „Museum der vergessenen Geheimnisse“
Da bin ich aber sehr froh, dass ich die Rezension in der „Zeit“ über Sabuschko gelesen habe. Sonst wäre mir dieses grandiose Buch entgangen – und ich hätte es nicht einmal bedauert, weil ich so unwissend wie zuvor geblieben wäre.
Das Genörgel der Rezensentin über den Ausgang der Geschichte habe ich – und wohl auch andere – nicht ernst genommen. Ansonsten liegt sie aber ganz richtig. Solch eine leichtfüßig-tiefgründige und dazu noch äußerst geschichtsträchtige Literatur ist mir selten begegnet. Keine deutsch-verschrubelte, intellektualisierende, besserwisserische oder gestelzt-manierierte Betroffenheitsschreibe, die womöglich nur so geschrieben ist, um sich nicht selbst im Spiegel zu sehen.
Aber auch kein Ulk – kein Späßchen über Diktatur und Gewalt wie in der deutschen nach-DDR-Literatur. Nein, hier haben wir es mit einem grandiosen Werk neuerer Aufklärung zu tun.
Für jemanden, der sich für die europäische Vergangenheit interessiert, ein ABSOLUTES Muss! Aber auch für die Leserinnen und Leser, die bloßes Interesse an den unendlichen Varianten guter Literatur haben, ist dieses Werk ein wahrer Quell neuen Erfahrens und Lesens.
Eventuell zeigt diese Schriftstellerin eine Möglichkeit auf, wie Schreiben neben tradierten und ausgefahrenen Wegen in unserem Jahrhundert auch funktionieren kann. (Einschub 2025 – zu spät!)
Eine kleine Anekdote mag zum Abschluss der wenigen Zeilen endgültig zum Lesen überreden – oder fürchterlich abschrecken. Ich gebe zu: Ich bin ein (lesender) Mann! Kann nichts dafür. Ich telefonierte mit einer literarisch bewanderten Freundin und las ihr ein Stück aus dem Museum der vergessenen Geheimnisse vor. Schrieb dies ein Mann oder eine Frau? war meine Frage. „Mann!“ – ihre spontane Antwort. Das mag etwas aussagen oder auch nicht. Ich hörte es aber mit Freude und weiß nun besser als zuvor, dass eine Frau, im (sogenannten) Sozialismus der UdSSR aufgewachsen, irgendwie anders ist als ihre „wohlstandskapitalistisch“ sozialisierten Artgenossinnen.
Zum Trost: Der deutsche Wohlstandsmann ist nicht viel besser dran. Er trägt oftmals nur stolz sein intellektuelles Fähnchen durch die Gegend und streicht sich das wallende Haar von der Stirn.
Oksana Sabuschko: Museum der vergessenen Geheimnisse
Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvil; Droschl, Wien 2010; 760 S., 29 €
Starke Ukrainische Literatur von Frauen. Über das Land und seine Geschichte. MARIA MATIOS Darina die Süße