Projekt ``In Spirit of Rubens`` 1989 - 1990 mit p.u.d.
Im „Spirit of Rubens“ entstand ein Gemeinschaftswerk zweier Künstler.
Gegen Ende des vergangenen Jahrtausends geriet ich in Köln in eine Ausstellung. Sie war eine Behauptung. Die „Moderne“ schien ihr Ende gefunden zu haben, doch niemand bemerkte es. Modern, unmodern, gestrig, akademisch, expressionistisch, surrealistisch, fotorealistisch, kubistisch, konzeptionell… Als würde es nicht um das Wesentliche gehen – die Wirkung des Bildes und wie es geschaffen wurde. Dennoch vermochte die Ausstellung mit dem Titel „Bilderstreit“ solche Debatten hervorzurufen.
Dank der Unvergesslichkeit des Internets kann man diesen Streit in einer Rezension von Petra Kipphoff „Die Bilder schlagen zurück“ nachlesen. Es ging zur und um die Sache.
Da ich erst seit zwei Jahren in Westdeutschland lebte, irritierte mich diese Ausstellung zutiefst.
Der Wirrwarr der Eindrücke ließ mich im Hotelbett keinen Schlaf finden, doch statt Schafe zu zählen, entwickelte ich eine Idee. So einseitig und kurzsichtig, wie diese Ausstellung gestaltet war, kam mir einer meiner zahlreichen Malergötter in den Sinn: Rubens.
Als Pubertierender in einem asexuellen, katholischen Haushalt aufzuwachsen, bedeutete, in Lexika nach nacktem Fleisch zu suchen.
Der „Raub der Töchter des Leukippos“ wurde zwar bereits 1618 gemalt, ist aber bis heute weder vergessen noch hat das Bild seinen erotischen Furor verloren. Es ist zeitgemäß. Nach dem Besuch der „Bilderstreit“-Ausstellung und meinem damaligen Alter entsprechend risikobereit, dachte ich mir: Warum nicht mit Rubens? Warum nicht an Rubens messen?
So rief ich in der Nacht p.u.d. an, um ihn zu bitten, mir einen Rubens zu malen.
Mein zu früh verstorbenem Freund war Kollege und Restaurator. Hätte er damals nicht zugesagt, wäre das Gedachte spätestens am nächsten Morgen vergessen gewesen. Da er mir jedoch versprach, bei der Sache mitzutun, kam alles anders. Der ursprüngliche Gedanke, die Kopie des Raubes meiner noch zu malenden Variation entgegenzustellen, uferte zu einem Projekt aus, das uns in den Jahren 1989 und 1990 beschäftigen sollte. Da p.u.d. Schwierigkeiten mit der Kopie hatte, reiste ich nach Grasberg bei Worpswede und wir vollendeten die Kopie zusammen und versanken regelrecht im Spirit of Rubens.
Nur mit eingedicktem Leinöl bekommt man die berühmte Rubens Cellulitis Frauenhaut richtig gut hin. Das Öl muss lange in der Sonne stehen und Sauerstoff bekommen. Eingedickt und mit Pigment vermischt, entwickelt die Malschicht den typischen Schmelz der Gemälde von P.P. Rubens.
Zur gleichen Zeit hatte p.u.d. ein großes Kirchengemälde in seiner Werkstatt in Arbeit und löste von ihm die über 100 Jahre alte Doublier-Leinwand ab. Die Zeit hatte dem Stoff derart anregende Spuren verliehen, dass uns nichts anderes übrigblieb, als diese mit Zeichnungen und Zeichen in Gedenken an Rubens zu füllen.
Aus Wochen des Aufenthalts wurden Monate. Wir arbeiteten ohne viele Worte nebeneinander in seinem Atelier. Mischten nicht nur Techniken, sondern auch Stile. Ungeahnte Möglichkeiten, eine zweidimensionale Fläche zu füllen, waren plötzlich einfach da. Frescoputz und aufmontiertes Scheuertuch. Kreide, Kohle und Pigment.
Abends gab es bei Meta, der Wirtin des Dorfkrugs, Bratenbrot satt, Bier und Spielautomaten und am Tag den Spirit of Rubens.
Just als p.u.d. ein weiteres mal eine Handvoll Kleingeld aus dem Automaten kratzte, kam uns Helene in den Sinn. Paul gewann regelmäßig das, was ich in den Apparat zuvor an Kleingeld gesteckt hatte. Die Wochen darauf trieben wir mit Hèléne Fourment („Das Pelzchen“ um 1636/38) ein Spiel. Klebten, malten, spachtelte und lösten alles wieder ab. Ein Rausch.
Auf der Weide vor dem Atelier standen Kühe, von denen nur die Rücken zu sehen waren. Die Nebel des Moores verhüllten ihre langen, gertenschlanken Beine.
p.u.d – der Paul – hat den partiell kunstbeleuchteten Erdenkreis 2011 für immer verlassen.
Die Bilder des Projekts sind HIER zu sehen – klick!