Die Bildwerdung anhand eines Mikadostäbchens erklärt
Selten hält man es durch, den Prozess einer „Bildwerdung“ vollständig zu dokumentieren. Mir ist es zwar gelungen zu dokumentieren wie ein Ölgemälde entsteht, jedoch zeugt die Dokumentation eher von der Realität meiner Arbeitsweise als von Eleganz. Obwohl das Bild „Mikado“ klassisch angelegt war, ist es ein „Work in Progress“ mir seinen Irrungen und Wirrungen, was ich Ihnen hier vorstelle.
Das Durcheinander hat einen einfachen Grund.
Denn ich habe Entwurf, Vorzeichnung und Ausführung auf der Leinwand gemacht. Das gehört sich eigentlich bei dieser Art Malerei nicht, ist aber einer gewissen Ungeduld meinerseits geschuldet. Richtiger wäre es, mehrere Entwürfe und Farbstudien zu machen und erst danach mit der Arbeit auf der Leinwand zu beginnen. Man wählt sorgsam aus den Entwürfen aus und überträgt den Gewünschten auf die Leinwand.
Erst danach beginnt die Ausführung. Trotzdem wird hier die Bildwerdung anhand eines Mikadostäbchens erklärt. Dies ist der surreale Aspekt meiner Arbeit.
Andererseits entstehen durch die hier gut sichtbaren „Fehler“ neue Bildstrukturen und zuweilen ungewöhnliche Effekte. Auch ist die Zeit des Nachdenkens eine längere, als bei einem bloßen Ausführen des Entwurfs. Farben überlagern sich und auch die Textur ist durch die Übermalungen oft reizvoller.
Ich bitte um Nachsicht, dass die Farben nicht immer übereinstimmen da, situationsgemäß, die Lichtverhältnisse nicht immer identisch zur letzten Aufnahme waren.
Zuweilen habe ich meine Leinwände noch selbst mit einem saugenden Kreidegrund grundiert.
Ein reines Leinengewebe wird mit einer Hasenleimlösung gesperrt, damit die Farben nicht in das Gewebe eindringen. Danach kommen mehrere Schichten einer Grundierung bestehend aus Kreide und Titanweiß bzw. Lithopone in Hasenleinlösung angerührt. Jede aufgetragene Schicht muss geschliffen werden.
Um die Vorzeichnung auch nach dem Aufbringen der Imprimitur noch sichtbar zu erhalten, zeichne ich diese mit Pinsel und Acrylfarbe nach.
Mit dem Aufbringen der Imprimitur wird eine bestimmte Farbatmosphäre vorgegeben und die Grundlage für die Weißhöhung geschaffen.
Imprimituren sind spätestens seit der Renaissance üblich aber auch bei den Impressionisten anzutreffen. Ich habe diesen Farbaufbau und die Arbeitsschritte der Entstehung eines Gemäldes während des Studiums anhand der Malerei von Lucas Cranach d.Ä. gelernt und musste auch ein Gemälde von ihm in genau dieser Manier kopieren. Samstag Vormittag im Museum.
Nach der Weißhöhung habe ich leichte Lasuren aufgelegt, um mich so an die gewünschte Raumwirkung heranzuarbeiten.
Mit der Weißhöhung modelliert man die Gegenstände ähnlich wie in einer Grisaillemalerei, die auf jegliche Farbe verzichtet und mit rein monochromen Mitteln Raum und Perspektive schafft.
Auf dieser Abbildung sehen Sie weitere Weißhöhungen auf den mit Lasuren belegten Flächen.
Der Boden sollte in diesem Zustand eine erdige Struktur bekommen, welches später verworfen wurde.
Der Körper des Aktes ist teilweise lasiert und hat einen Hautton angenommen.
Durch die Lasuren scheint die Imprimitur teilweise hindurch. Der Dalmatiner bekam erste Punkte und die Selbstzweifel an der Richtigkeit dieser Komposition begannen.
Eher halbherzig wurde weiter an der vorgegebenen Komposition gearbeitet.
Man sieht, dass der Schrank viel zu dominant ist und von den eigentlich wichtigen Elementen des Bildes ablenkt. Auch kompositorisch ist dieses Bild zu jenem Zeitpunkt unentschlossen.
Hilflos wird der Boden durch einen kleinen Teppich in eine andere Richtung gebracht und auch an den anderen Bildelementen wird weitergearbeitet, ohne den Gesamteindruck wirklich verbessern zu können.
In der Regel stelle ich solche „Problembilder“ für einige Zeit mit dem „Gesicht“ zur Wand.
Dies ermöglicht einen neuen unverbrauchten Blick, wenn man die Arbeit an einer festgefahrenen Sache wieder aufnimmt. Dann sind jedoch oft harte Einschnitte notwendig. Hier werden die zu überarbeitenden Flächen mit Terpentin gründlich abgewaschen, der Untergrund aufgeraut und eine neue Acrylgrundierung aufgebracht.
Auf der neuen Grundierung wird nach demselben Prozedere weitergearbeitet.
Vorzeichnung und so weiter. Zugunsten der kompositorischen Klarheit wird auf den Schrank verzichtet und eine Tapete ersetzt die frei gewordene Fläche. Im Detail sehr aufwendig und zeitraubend. Andererseits eine kontemplative Tätigkeit.
Die Ornamentik der Tapete ist zu erkennen. Hier habe ich mich von alten venezianischen Papieren anregen lassen.
Man sieht aber, dass sich die konkrete Ausführung wiederum zu sehr in den Vordergrund drängt.
In der Zwischenzeit ist der Fußboden heller geworden und die Tapete nimmt immer mehr Form an.
Auf den Abbildungen ist leider nicht gut zu erkennen, dass ich auch immer wieder an dem Akt und dem Hund gearbeitet habe, wenn die zuvor aufgebrachten Lasuren getrocknet waren. Zwischendurch trocknet das Gemälde immer wieder einige Tage. Dies erlaubt auch wiederholtes Nachdenken. Ein Vorteil der Ölmalerei ist die Zeit, welche vergeht, bis das Gemälde vollendet ist.
Der kleine Teppich ist durch eine Lasur mit Oxidrot dunkler geworden und strukturiert den Vordergrund.
Die Ornamentik der Tapete ist durch das Aufbringen einer Lasur aus Ocker und Neapelgelb weicher.
Das Aufbringen von mit Pigmenten, vermischtem Lasurweis, bringt die Lösung. Vorder- und Hintergrund sind getrennt.
Die Schaltkästen und Aufputzleitungen stehen im krassen Gegensatz zu der melancholischen Frau, welche selbstvergessen mit einem Mikadostäbchen spielt, auf das auch der Dalmatiner seine Aufmerksamkeit richtet.
Ohne das Fluchtwegschildchen wäre alle Arbeit umsonst. Manchmal macht ein scheinbar unbedeutendes Detail ein ganzes Bild aus.
Das einzige konstante Merkmal bei dem Prozess der Bildentwicklung war das Mikadostäbchen. deshalb nannte ich den Text – Die Bildwerdung anhand eines Mikadostäbchens erklärt .
Mittlerweile habe ich unter dem Titel – Wie male ich mit Ölfarbe in alter Technik – das Entstehen eines weiteren Gemäldes dokumentiert.