Der Tod der roten Wurst
Das Ende einer badischen Wursttradition
2016 gründete die Deutsch Bahn eine Firma mit dem bedeutungsvollem Namen „Station Food“ und hatte vermutlich wie so oft, Bedeutendes vor.
Sprich, eine hohe und möglichst rasche Rendite. Dieser Elan war schnell verschwunden, denn schon 2020 wird dieses auf einem simplen Franchise-System beruhende Konzept veräußert. Auch bei diesem Finanzspiel wollte Karlsruhe ein weiteres Mal in der 1. Liga spielen. So wie sich das ZKM anmaßte mit dem Georges de Pompidou in Paris in einen Wettbewerb zu treten und derzeit in einer teuren Agonie der Bedeutungslosigkeit verharrt, sind die Pläne für einen attraktiven Bahnhof nichts als Geschwätz.
Denn außer dem Karlsruher Standort von Station Food bleibt nur der im Berliner Hauptbahnhof.
Mit den üblichen Läden wie Burger King oder auch Gosch oder der Bäckereikette Kamps und Le Crobag werden die zwei Bahnhöfe bestückt und so ihrer regionalen Identität beraubt wie meine Recherche „Berlins Hauptbahnhof und seine Currywurst“ aufzeigt.
Der DELI-TRAIN für die Putzkolonnen leicht zu säubern, lädt jedoch nicht zum Verweilen ein.
Bahnhöfe sind die Visitenkarten der Städte. Und zu der Visitenkarte Bahnhof gehört eine vernünftige Bratwurst, Currywurst oder wie auch immer.
Bei Station Food bekam ich eine der miesesten Würste meiner langjährigen Bratwursttesterkarriere. Eine sogenannte Rindswurst oder auch kurz rote Wurst genannt war das einzige Wurstangebot auf dem gesamten Bahnhof. Diese traditionelle rote Wurst war ausgetrocknet, salzig und zäh wie das viel zitierte Leder. Eine größere Beleidigung der Jahrtausende währenden Wurstkultur kann ich mir nicht vorstellen. Dringend sollte sich der Kulturbürgermeister der Sache annehmen. Denn es geht um den Ruf der an sich angenehmen badischen Metropole. Die sehr gute Pfälzer Saumagen-Bratwurst auf dem Europaplatz wäre ein gutes Bratwurstbeispiel und zeigt, wie man seine Region angemessen vertritt.
Der Bratwurst-Klassiker in Schwaben und Baden ist die rote Wurst. Ihr Brät soll fein wie bei einer Bockwurst sein.
Der gute Grillmeister schneidet sie vor dem grillen gekonnt ein, um ihr ein besonderes Aussehen zu verleihen. Die Karlsruher TOTE ROTE wurde mir lieblos und schnöd zerbrochen ins Weck gesteckt. Immerhin war sie dem Fegefeuer der Elektrogrills entkommen. Auf der Ablage hinter dem Grill lagen unzählige rote Wurst Leichen vorgebraten in einem Aluminiumbehälter und wurden bei Nachfrage wiederum auf dem Grill erbarmungslos erhitzt, als ginge es darum, die trockenste und zähste Wurst des Universums zu produzieren.
Die Dunkelheit in der Umgebung der Karlsruher Filiale erlaubte mir ohne externe Beleuchtung kein gutes Foto. Also versuchte ich dies auf dem Leipziger Bahnhof.
Wenn es schon mit der Bratwurst nicht klappt, dann ist es um so peinlicher, auch bei der Brezel zu versagen.
Das von mir erworbene Exemplar wäre als Salzleckstein tauglich. Im Gegensatz zu Huf tragenden Säugetieren leiden wir Zweibeiner nicht unter Mangel an Natriumchlorid. Dieser Systemgastronomieanbieter mit über 100 Filialen in Deutschland wärmt laut Firmenwebsite Backlinge aus Frankreich auf, hat jedoch keine Filiale in Frankreich. Mittlerweile gehört die Kette der italienischen „Autogrill“. Das mag in einer Marktwirtschaft alles mit rechten Dingen zugehen. Wenn. Ja, wenn da nicht unser Landschaftsminister wäre, der Kraft seiner Autorität, die Brezel zum Weltkulturerbe erhöhen möchte. Respektive erheben lassen.
Beim ersten Biss merkt man, dass der Teig dieser Bahnhofsbrezel eben nicht 12 bis 14 Stunden gegangen ist, der Teig nochmals 20 Minuten ruht und die fertig geschlungenen Teiglinge weitere 45 Minuten im Kühlschrank waren.
Das wird dann nix mit dem Weltkulturerbe. Es gibt noch einige wenige handwerklich arbeitende Bäcker in Karlsruhe.Den Bäcker Meier zum Beispiel. Der bäckt nicht nur saugte Brezeln sondern auch die besten schwäbischen Seelen und Knautzen. So einer sollte im Bahnhof der badischen Metropole vertreten sein und eben keine Hamburger Kette mit italienischen Besitzern die Teiglinge aufbackt welche sich in Frankreich nicht verkaufen lassen.
Kurz. Der Ruf Baden als kulinarisches Paradis steht auf dem Spiel. Die badische Küche wird vom Elsass und Frankreich inspiriert und zählt zu den besten in Deutschland. Dies sollte sich auch auf das kulinarische Angebot auf dem Hauptbahnhof auswirken.