Wilhelm Ostwald Park Großbothen
Ich vermag nicht zu sagen, wie viele Stunden ich als Lehrling und Student mit Wilhelm Ostwald verbrachte. Natürlich meine ich nicht den 1932 verstorbenen Nobelpreisträger persönlich, sondern seine Farblehre.
Zuerst mischte ich Farbe um Farbe um seinen Farbtonkreis während meiner Lehre zum Schrift- und Plakatmaler nachzuempfinden.
Danach folgten die gleichen Exerzitien zur Erlangung künstlerischer Fertigkeiten in größerem Maßstab und viel ausführlicher an der wohl akademischsten Akademie der Künste Deutschlands, die sich auch heute noch Hochschule für Grafik und Buchkunst nennt.
Am Ende der Farbstudien hatte die Studierenden im besten Fall ein Gefühl entwickelt, wie sie sich einem Farbton nähern können und begriffen im Unterbewussten, sein komplementäres Verhältnis zu den gegenüberstehenden Farbtönen.
Denn wir mischten Farbfelder warm und kalt. Entwickelten Farbfelder zu den Jahreszeiten und dynamisierten Farbkompositionen. Nur draußen war alles aschfahl. Sozialistisch grau.
Letztens entdeckte ich, dass Wilhelm Ostwald unweit meines Studienortes nahe bei Grimma, dem Tor zum Muldental sein Anwesen hatte. Der Wilhelm Ostwald Park Großbothen ist eine wirkliche Entdeckung.
Also. Wie so oft wurde einmal mehr die RB110 genutzt und die paar Stationen bis zum Ziel auf angenehme Art zurückgelegt.
Freilich ist es nicht ganz einfach, in unserer autozentrierten Welt vom Bahnhof Großbothen zum Wilhelm Ostwald Park Großbothen zu kommen. Ein Bus? Fehlanzeige. Also muss man an der Hauptstraße entlanggehen. Dies ist unangenehm, da nicht nur die Automobilisten, sondern auch der Schwerverkehr durch den Ort donnert.
Als Lohn für diese Pein gab es nicht nur große Überraschungen in dem kleinen, aber feinen Wilhelm Ostwaldmuseum, sondern auch in dem grandiosen Park zu entdecken.
Dazu gehörten Einsichten, die heute ob unserer Ignoranz erschreckend sind. Wie ich lernen musste, war Ostwald einer der letzten Universalgelehrten und seiner Welt um vieles voraus.
Zitat einer Schautafel im Wilhelm Ostwald Park Großbothen:
„Wilhelm Ostwald geht davon aus, dass die nutzbare Energie beständig abnimmt. Das allgemeine Gesetz des Geschehens sei das Dissipationsgesetz, nachdem die nutzbare Energie abnehme, bis in ferner Zukunft die Erde den Wärmetod erleide. Dieses Gesetz sei die Grundlage allen menschlichen Wollens, Wählens und Wertens, und nur die Einhaltung des energetischen Imperativs: Vergeude keine Energie – verwerte sie! Könne Grundlage allen Handelns sein.
Die Energetik von Wilhelm Ostwald stößt wegen der recht willkürlichen Benutzung des Energiebegriffs bei den meisten Naturwissenschaftlern auf Widerspruch. In der philosophischen Literatur beachtet man sie kaum, da es sich nach Auffassung der meisten Philosophen um den Streit von Dilettanten handelt.
Gegen diese Missachtung tritt Wilhelm Ostwald im Jahre 1901 mit seinen Vorlesungen zur Naturphilosophie an der Universität Leipzig auf und trifft auf großes Interesse. Die Veranstaltung muss in das Auditorium maximum verlegt werden. Der Zuspruch führt zu Konflikten Oswalds mit seinen Widersachern in der Philosophischen Fakultät. Auch in der Folge Zeit unternimmt Wilhelm Ostwald große Anstrengungen zur Verbreitung der Energetik. Er möchte vor allem die Diskussion über naturphilosophische Probleme fördern und damit die Philosophie bereichern. Ein Beispiel für diese Bemühungen sind die seit 1902 von Wilhelm Ostwald herausgegebene Annalen der Naturphilosophie.“
Es muss konstatiert werden, das Ostwald als einer der Mitbegründer der Naturphilosophie lange vor dem von uns angenommenen ersten Warnungen (1971) vor den irreversiblen Folgen der Erderwärmung das Tema philosophisch behandelte. Die Frage nach der menschlichen Ignoranz – auch der wissenschaftlichen – steht im Raum.
In aller Bescheidenheit habe ich auch einen eigenen, nennen wir es mal menschheitsgeschichtlichen Ansatz, unser Tun zu hinterfragen.
Die Paläanthropologie ist eine Wissenschaft, die sich mit der Entwicklung des Menschen beschäftigt. Und die anthropogene Klimabeeinflussung ist mittlerweile unbestritten.
Meines Erachtens wird die Rückständigkeit des Menschen in Bezug auf die Energieerzeugung immer noch zu wenig bis gar nicht reflektiert. Wir verbrennen wie unsere Vorfahren aus der Steinzeit Stoffe, um Energie zu erzeugen. Allein diese Tatsache müsste uns ins Grübeln bringen. Denn wir alle wissen – es geht auch anders.
Denn schon Wilhelm Ostwald hat seine Wasserversorgung von der Kraft der Tiere auf Windkraft umgestellt.
Der sogenannte moderne Mensch verharrt bei einer Form der Energieerzeugung, die aus einer frühen, niedrigen Entwicklungsstufe stammt, hat aber inzwischen gelernt mit Messer und Gabel zu essen. Auch wenn die Verbrennungsprozesse weiterentwickelt wurden, zeugt dies nicht von überragender Intelligenz. Denn wie wir seit langem wissen, geht es auch ohne Wohlstandsverlust anders. Der Wilhelm Ostwald Park Großbothen mit seinen Gebäuden und dem Museum atmet geradezu das Denken dieses Universalgelehrten. Denn auch die Anlage des Parks zeugt von seinem Naturverständnis. Heute würde man dies ganzheitlich nennen.
Ostwald möchte eben nicht die Natur beherrschen. Es gilt für ihn von dieser zu lernen und in ihr zu leben, ohne sie zu schädigen. Könnte man dies Demut nennen?
Eher nicht. Denn der Zwiespalt besteht darin, dass Ostwald der Begründer der physikalischen Chemie war und für die von ihm entwickelte Katalyse 1909 den Nobelpreis erhielt. Ob er dies wie Albert Einstein, den Ostwald für den Nobelpreis vorschlug, reflektierte, ist nicht bekannt. Letztendlich bereute es Einstein bis zu seinem Tod den amerikanischen Präsidenten Roosevelt geraten zu haben, die Kernforschung voranzutreiben.
Gleichwohl könnte uns Ostwald den großen Schlüssel in die Hand gegeben haben Energie CO2 neutral herzustellen.
Denn das Prinzip der Katalyse wird auch zur Herstellung von Wasserstoff benötigt. Wissenschaft und Technik sind nicht per se böse. Es kommt auf die Anwendung und auf die Nebenwirkungen an. Beim Uran war sich Einstein klar, dass die ein Teufelszeug ist und bleibt.
Mit anderen Worten, der Besuch des Wilhelm Ostwald Park Großbothen ist der Erkenntnis der Welt und deren Probleme zuträglich.
Allerdings sucht man in dieser Gemeinde vergebens ein Restaurant. Im Haus von Wilhelm Ostwald bekommen Sie einen Kaffee. Sollten Sie jedoch feste Nahrung zu sich nehmen wollen, müssen sie in den Nachbarort Kleinbothen. Dort finden Sie unweit des Ortseingangs ein Gasthaus mit ehrlicher sächsischer Küche.
Kritische Nachbemerkung
Frisch gestärkt ging es von da aus zu Fuß wieder zum Bahnhof von Großbothen.
Dieser Bahnhof ist eine Art Zustandsbericht unserer Gesellschaft.
Tatsächlich ist er eines der vielen Symbole des Zerfalls.
Während der noch aktive Bahnsteig einigermaßen intakt ist, aber dem Reisenden keinen Schutz vor den Witterungseinflüssen bietet, zerfallen die Gebäude und die außer Betrieb gesetzten Bahnsteige.
Was diese Verlotterung neben dem allgemeinen Werteverfall mit Menschen macht, die täglich den Bahnhof benutzen, kann man nur erahnen. Oder aber ganz konkret an den Wahlergebnissen ablesen. Bundestagswahl 2021 in Grimma und den dazugehörigen Orten.
AfD 28,31 % mit starker Tendenz nach oben.
Offnungszeiten und weitere Informationen.