Turnen für das Vaterland
Das dieser zwiespältigen Figur und hoch verehrtem Turnvater in Freyburg ein beachtliches Denkmal errichtet wurde war mir gänzlich unbekannt
Entgegen bekannter Regeln zur Vorbereitung von Reisen, bereite ich mich nicht vor.
Also hat man die Arbeit danach. Für Freyburg war klar, dass da eine romanische Kirche zu besichtigen ist – und Wein zu verkosten. Ansonsten sollte uns die Stadt, mit dem, was sie zu bieten hat, überraschen.
Turnvater Jahn war mir ein Begriff, aber interessierte mich ebenso stark wie Jury Gagarin. Nämlich gar nicht.
Ganz im Gegensatz zu Imbissbuden, deren eine gegenüber der weitläufigen Huldigungsarchitektur steht und die mir sofort ins Auge fiel. Wohlgemerkt mit Pferdebockwurst im Angebot. Was schon ziemlich einzigartig ist und uns zur Ruhmeshalle führte.
Das dieser zwiespältigen Figur und hoch verehrtem Turnvater in Freyburg ein beachtliches Denkmal errichtet wurde, war mir gänzlich unbekannt.
Denn angeordnetes Turnen war, und ist mir zuwider. Leibesübungen zu vollführen, um dem Staat zu dienen, was ja nur im kriegerischen Dienst gemeint sein kann, verabscheue ich regelrecht. Sie müssen wissen, ich habe den Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee ableisten müssen. Ehrendienst nannte sich dies – töten lernten wir. Leibesertüchtigungen aller Art dienten der Vorbereitung. Reck und Bock sind für mich die Vorstufen zur Sturmbahn. Nicht das ich mich, seit meinen Erfahrungen bei der Verteidigung meines sozialistischen Vaterlands, nicht mehr bewegen würde. Ich tue dies jedoch mit keinem höheren Ziel, als dem, beim Boule mit Freunden keine schlechte Figur zu machen.
Aber so ein Denkmal für einen Reckturner, Bücherverbrenner, Franzosenhasser und Studienabbrecher?
Das weckte mein Interesse. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Und dann war es wirklich so, dass Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) eine der Persönlichkeiten war, die von Diktaturen gern vereinnahmt wurden einerseits Nationalist bis auf die Knochen. Andererseits plädierte er für Bürgerrechte, die er zugleich für seine Ziele außer Kraft gesetzt hätte. Denn er ließ Bücher verbrennen und gegen den Code civil war er ohnehin.
Frisch angelesen, müsste ich, die für mich neuen Erkenntnisse, abschreiben. Das sollen andere machen.
Wofür haben wir das wissende Netz. Ein Diplom habe ich in der Tasche und promovieren möchte ich jetzt auch nicht mehr. Bei Interesse lesen sie den Wikipedia-Artikel und einen aus dem Spiegel.
Um Ungutes zu erschnüffeln, hat man über die Jahre und mit den dazugehörigen Erfahrung ein Gespür entwickelt. Also. Sportgroßväterchen Jahn wurde nicht nur von den Nationalsozialisten, sondern auch von den real existierenden Sozialisten vereinnahmt. Bei der letzten Restaurierung der Ehrenhalle half übrigens die Bundeswehr.
Auf YouTube fand ich ein sehr gutes und aufschlussreiches Interviewe der Leiterin des Friedrich-Ludwig-Jahn-Museums.
Freyburg – Jahn in der DDR
Neben dem Artikel Turnen für das Vaterland finden Sie auf meinem Blog zwei weitere über Freyburg.