Die Galerie der neuen Monster in Dresden
Wenn man davon ausgeht, dass Museen Orte der Identifikation sind, so hat sich die Galerie der neuen Monster in Dresden zu einem Ort der Entwurzelung entwickelt.
Die Galerie der neuen Monster in Dresden (30.10.2017)
Raubten früher Besatzungsmächte Kunst, um sie sich einzuverleiben, so installieren diese in neuster Zeit ihre Artefakte in das von ihnen okkupierte kulturelle Umfeld. Diese Feststellung ist politisch nicht korrekt, jedoch für mich die einzig Mögliche. Vieles hätte anders laufen müssen, um den schwierigen Prozess, nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus, zu bewältigen. Wertungen, auch die Kunst betreffend, sind nicht einfach und schon garnicht pauschal zu treffen. Denn auch in der DDR wurde Unliebsames weggesperrt und ausgegrenzt. Dies brutal und für die Betroffenen existenzgefährdend.
Geht es also bei dieser kulturellen Invasion biblisch zu? Aug um Aug – Zahn um Zahn. So kann man das sehen. Es sind nur die falschen Protagonisten am Werk.
Betritt man ein Museum, und die Eingangsarchitektur gleicht der einer Shopping Mall oder gar eines Bahnhofs, ist nichts Gutes zu erwarten.
Die Galerie neue Meister war früher ein zurückhaltendes Museum und neigte nicht zum Pomp. Man hat gern im Regen vor der Eingangstür gewartet, ehe man eingelassen wurde. Die „neuen Meister“ waren das Museum meiner Jugend. Der Ort meiner künstlerischen Sozialisation. Jetzt bin ich irritiert und zornig. Der Größenwahn moderner Museumsarchitektur steht in einem direkten Verhältnis zu der Kunst, welche sie beherbergt. Und welcher, mit diesem Pomp, zu immer größerer Marktstärke verholfen werden soll. Wenn es einen Staatsmonopolkapitalismus gibt, dann ist diese Entwicklung mit dem Begriff Museumsmarktmonopols treffend bezeichnet. Finanziert mit Steuergeldern und gelenkt von Großsammlern.
Darnieder liegt die Kunst. Sie wurde auf dem Altar von Marktinteressen und politischem Kalkül geopfert.
Das Gewölbe, neben der „Bahnhofshalle“ mit Museumskasse, Cafeteria und Museumsshop, ist angenehm und beruhigt das Auge nach der vorangegangenen Beleidigung meiner feinen Sinne durch provinziellen Größenwahn.
Ja – wenn sich da nicht der kuratorische Übereifer angemaßt hätte, Altes mit neuem verbinden zu müssen. Ja dann hätte mich das Gewölbe sanft gestimmt. Eine plastische Installation – die ich wirklich nicht zeigen möchte – lärmte grausam vor sich hin. Man kann Rodin, Klinger und Lembruck zwar nicht beleidigen. Den Kunstbetrachter aber schon. Ja man treibt ihn aus dem Raum, welcher eigentlich zu kontemplativer Ruhe einlädt. Die Idee des Kurators oder Kuratorin ist ungefähr so gut, wie die eines Graffitikünstlers der die Idee hat die Laokoon-Gruppe mit poppigen Neonfarben zu besprühen.
Gefundene Dinge haben einen Reiz. Das weiß jeder Junge, wenn er am Abend seine Hosentaschen ausleert.
Ein paar alte Tampen und Rettungsringe zu einem Haufen zusammen gebündelt stehen aber nicht für Tausende im Mittelmeer ersoffener Flüchtlinge – wie hier suggeriert wird. Dieses Artefakt könnte auch ein Mahnmal für den Untergang der Fischereiindustrie sein. Oder eher doch die Gemeinschaftsarbeit eines Leistungskurses BK eines x-beliebigen Gymnasiums an der Küste. Bei Husum zum Beispiel. Unsere Zeit liebt nicht nur Einfaches sonder auch Großes. Großes – die Maße betreffend. Man stellt mit Größe, in Höhe, Breite, Tiefe und Gewicht bemessen, eine Behauptung auf, auch wenn jegliche Substanz fehlt. Wer laut spielt, spielt nicht unbedingt richtig. Und schon gar nicht gut.
Dann das! Ein aseptischer Reinraum für unseren Gerhard Richter. Genauer zwei Räume. Baselitz tut diggsch’n – wie der Sachse sagt.
In diesen, dem Malerfürst gewidmeten, Heldensälen könnten auch Infinion Chips hergestellt werden. Oder aber Operationen am offenen Herzen stattfinden. Kein Stäubchen. Es riecht noch nicht einmal nach Museum. Ein wenig nach Desinfektionsmittel – vielleicht. Mich fröstelte.
Nicht in Abrede gestellt. Richter ist ein guter Maler und liefert konstant gleiche Qualität. Ein Markenprodukt wie der berühmte Dresdner Stollen. Baselitz ist ja weg. Also bleiben nur noch die Sachsen Richter -und der schon fast wieder unbekannte – Penk, um dem Einheimischen zu zeigen, wie toll auch sie gewesen wären, wenn sie zur richtigen Zeit Richtung Westen aufgemacht hätten.
Das Spiel um und mit den Westheroen ist genau so langweilig, wie es das mit den Ostheroen war.
Sitte, Heisig, Tübke und Mattheuer hingen in jedem Museum und machten keinem anderen Platz. Willi Sitte betätigte sich auch als Zensor und schloss Ausstellung unliebsamer Kollegen. Zugleich stand er an der Spitze des allmächtigen Verbandes bildender Künstler und hatte mit seinen Mitstreitern alles in der Hand. Er war Mitglied des ZK der SED und lächelte nicht nur über den Schießbefehl, sondern befürwortete diesen auch. Freilich habe ich besonders bei diesem malenden Genossen Bauchgrimmen. Letztendlich ist aber Bild Bild und Mensch Mensch und der Altbundeskanzler Gerhard Schröder der Genosse und Freund von Willi Sitte.
Heute sind es die westlichen Namen, die die Museen und ihre Heldensäle okkupieren. Das ist trist. Das ist dumm und hat nichts mit Kunst zu tun. Es ist der Macht und deren Missbrauch geschuldet – aber auch willfährigen und oft allzu eitlen Museumsleuten. Demut ist angesagt – ihr Diener der Kunst!
Und doch gibt es sie. Sie haben die Okkupation überstanden.
Die alten schönen und musealen Räume. Nicht mehr viele in ihrer ursprünglichen Form, dafür aber sehr gut erhalten.
Auch sehr schön, wie sich die in Vitrinen untergebrachte Kleinplastik zu einem Ganzen verwebt.
Olaf Holzapfel zeigte – in der Galerie neue Monster – seine Fachwerkhausmodelle in klein und groß. Das ist anheimelnd und heimatlich korrekt. Noch eine Pyramide aus dem Erzgebirge daneben und schon ist es weihnachtlich.
Das war jetzt gemein. Ich lese jedoch gern Karl Kraus und der sagte. Oder schrieb. Wie auch immer: Wenn ein Künstler Konzessionen macht, so erreicht er nicht mehr als der Reisende, der sich im Ausland durch gebrochenes Deutsch verständlich zu machen sucht.
Das ist schon hart. Weil fast jeder Künstler Konzessionen macht. Und das schon immer.
Irgendwann kommen dann die Rudimente „meiner“ Galerie neue Meister im Albertinum.
Das Kriegstriptychon von Otto Dix, vor dem ich schon Menschen weinen sah und vor dem ich – zusammengerechnet – mindestens zwei Tage, wenn nicht mehrere, gesessen habe und das der um sich selbst kreisende Gerhard Richter vermutlich noch nicht gesehen hat, wie ich vermutete, als er eine Behauptung aufstellte, welche mir übel aufstieß. Darüber mehr in dem Text „Man kann alles malen. Aber nicht jeder“.
Das geht gar nicht! Auch wenn es hipp ist und bei Gerhard Richters Reihe geliehener Porträts funktionieren mag.
Man kann nicht unterschiedliche Bildqualitäten, zumal in zusammengewürfelten Rahmen mit Flohmarktcharakter, an eine Wand hängen. Das ist respektlos und kuratorisch infantil. Im Grundstudium sollte man sich als Kunstwissenschaftler mit der Petersburger Hängung und ihrer Geschichte befasst haben, oder aber nie in einem Museum arbeiten. Es gibt viele andere, sehr nützliche und auch schöne Berufe! So mancher muß umlernen. Künstler auch Taxi fahren!
Erst im Karlsruher ZKM die didaktische Ausstellung zur europäischen Nachkriegskunst. Dann in Dresden die Vorstellung „Geniale Dilletanten“.
Gestalterisch erinnerte mich dieser Versuch – finster und brutal – an die Ausstellung entarteter Kunst. Ja – Sie schreien auf. Aber dies ist eine Assoziation, die nicht nur mir in den Sinn kommt, aber leider keiner aufschreibt.
Es ist so bei Gestaltungen: Man macht was. Man will es eigentlich gar nicht und ist doch ganz nah dran.
Und hört vor allem auf, mich im Museum belehren zu wollen! Hatte das Haus der deutschen Geschichte keinen Platz für diese Ausstellung? Wenn Kunst nicht für sich selbst sprechen kann, ist es keine. Da braucht es keinen theoretischen Firlefanz, der ohnehin oft lediglich benutzt wird um Unzulängliches zu unterfüttern.
Mit Verlaub. Dieses Bild ist Garnix. Das will was – hat aber nichts mit dem zu tun, was es vorgibt zu sein. Kunst.
Ich glaub, im Feuilleton darf nicht mehr klar und deutlich über schlechte Kunst geschrieben – oder gestritten – werden. Man hat ja im LK-BK Bildbeschreibung gelernt. Das muss reichen. Oder Rezensent theoretisiert, bis kein Normalsterblicher mehr was kapiert. Oft er selbst auch nicht. Wo sind sie geblieben – die Kritiker von früher?
Es gibt sie aber noch. Die stillen Räume. Die Räume aus meiner Zeit. Den sinnlichen Lovis Corinth.
Dessen Gemälde – würden sie heute gemalt – nicht mehr ausgestellt werden dürften. Man empfände sie als skandalös, frauenfeindlich und überhaupt… Sie wären aus dem Ausstellungsbetrieb verbannt.
Nicht nur John Currin wird in Deutschland ignoriert. Die Damen des ART-Magaziens aus Hamburg jaulten schon mal vorsorglich, ob der Sinnlichkeit seiner Bilder, auf, damit ja keiner auf die Idee kommt diesen genialen Maler in hierzulande zu zeigen. Wir leben in einer Zeit der Leibfeindlichkeit, die auch in der Kunst absurde Züge annimmt. Dies ist ein untrügliches Zeichen. Der Vorbote einer bösen Entwicklung. Dazu vielleicht später mehr.
Auch der Gaugiun, vor dessen Bild die Betrachter nicht mehr von der Südsee träumen, sondern daran denken, dass dieses Bild bei Sotheby’s eine zwei- oder gar dreistellige Millionensumme bringen könnte, ist noch da. Alle Impressionisten sind noch da. Aber wo sind die Besucher? Es war angenehm leer in diesem Museum.
Man hat gründlich weggepackt und in das Lager verstaut.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Kaffeehausbild von Renato Guttuso und einem von Jörg Immendorf? Immerhin hat ein kleines Stillleben (46 cm x 46,5 cm) von Guttuso am 28.06.2017 bei Christie’s in London 20.494 € gebracht, wohingegen die Immendorfs derzeit fast unverkäuflich sind, oder im Format von 128 cm x 103 cm bei Grisebach in Berlin gerade mal schlappe 28.000 € bringen. Am Marktpreis kann es nicht liegen. Über die Beweggründe dieses Bild zu entfernen hätte ich dann gern mehr gewusst – verehrte Museumsdirektorin. Oder kannten Sie Guttuso nicht.
Auch dieses, eher Unverdächtige, Bild von Werner Tübke war nicht auffindbar. In diesem Fall habe ich jedoch meine eigene Theorie. Es wird ein weiteres Mal einem Bilderstreit aus dem Wege gegangen. Und wo immer möglich werden Werke, die gefährlich werden könnten, versteckt.
Wieso gibt es in diesem Museum – zum Beispiel – keine Gerhard Richter – und gleich daneben einen Werner Tübke Saal. Direkt nebeneinander und in der Mitte eine Urne, um Stimmzettel hineinzuwerfen. Wer ist besser, oder kommt besser beim Publikum an. Im Kapitalismus geht es um Konkurrenz. (Dies ist polemisch gemeint)
Am besten ist es, man kann den Gegner ausschalten oder eben unsichtbar machen. So wurde das in der DDR praktiziert und so praktiziert man es heute wieder. Werner Doyé würde Toll! Sagen.
(Nachtrag: Letztens, wie mir berichtet wurde, passierte dies. Willkürlich und, ohne jede Auswahl, wurde DDR-Kunst präsentiert und wie von mir empfohlen über die Bilder abgestimmt. Walter Womaka der einsame Sieger. Dann – so kolportierte man – sagte die Verantwortliche. Sinngemäß. „Sehen Sie das kommt dabei heraus.“ Was soll denn das. Ist dieses Handeln Trotz oder Dummheit?
Spätestens an diese Stelle werden sich Kenner fragen, warum ich nicht vom eigentlichen Kern des Museums berichte.
Von den grandiosen Caspar-David-Friedrich-Gemälden und den Romantikern überhaupt. Ich habe gezögert, denn in den Sälen der Romantiker liegt vergessene Kaufhausdeko herum. Mir ist nicht bekannt, ob es unter den Museumsleuten ein Berufsethos gibt. Jedoch sollte man über Standesregeln dringend nachdenken!
Für die Ärzte formuliert man das so:
Es ist Aufgabe des Arztes in Friedens- wie in Kriegszeiten unter Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen ohne Unterschied des Alters, der Rasse, der Religion, der Staatsangehörigkeit, der gesellschaftlichen Stellung, der politischen Ideologie oder irgendwelcher anderer Art, die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen zu schützen und sein Leiden zu lindern.
Ich übersetze notdürftig für Menschen, welche hauptberuflich mit Kunst umgehen:
Es ist Aufgabe von Kunsttheoretikern in Friedens- wie in Kriegszeiten unter Achtung vor der Existenz und der Würde der Kunst ohne Unterschied des Alters, der Herkunft, der Religion, der Staatsangehörigkeit, der gesellschaftlichen Stellung, der politischen Ideologie oder irgendwelcher anderer Art, das Werk zu schützen und es unter Berücksichtigung seiner Umgebung und seiner Beziehung zu den an seinem Standort herrschenden kulturellen Bedingungen zu würdigen.
Dass die Dresdner ganz besonders sauer sind, kann ich verstehen.
Kein Theodor Rosenhauer. O.K. Ihr wisst nicht, wer das ist? Genau dies ist ja das Problem. Bernhard Kretzschmar und die neue Sachlichkeit. Alles weg.
Eine unbefristete Leihgabe – eines der wichtigsten Bilder der Neuen Sachlichkeit – wurde an den Leihgeber – die Stadt Döbeln – zurückgegeben. Es ist da nicht ausstellbar, weil die konservatorischen und sicherheitstechnischen Bedingungen nicht erfüllt werden können.
Ich weiß nicht, wie die Direktorinnen ans Ruder des Hauses gekommen sind und aus welchem schwachsinnigen politischen Kalkül heraus. Von der Dresdner Sammlung haben sie jedoch nicht die geringste Ahnung. Das weiß ich nach meinem Besuch. Mein Lieblingsbild vor dem ich als Kind gern und lang verharrte – ist weg. Ihr spinnt wohl! Was fällt euch ein? Da kann auch ein sanfter Mensch böse werden.