Der Tod der drei Grazien
Ich bin mir nicht sicher, wann die drei Grazien das Tageslicht erblickten.
Eine Frage, die ich nicht klären konnte, ist, ob die drei Grazien eine Erfindung der griechischen Mythologie sind oder ob sie viel früher auf die Welt kamen.
Wie dem auch sei, der Tod der drei Grazien trat gegen Ende der Moderne ein, wobei eine Wiederbelebung jedoch nicht ausgeschlossen ist.
Dieses Mosaik der drei Grazien stammt aus dem letzten Viertel des vierten Jahrhunderts.
Es wird gemeinhin angenommen, dass die drei Grazien irgendwie und irgendwann im antiken Griechenland in das Kunstgeschehen traten. Seitdem waren die drei Schönen bis fast in unsere Zeit hinein ein Teil von bildender Kunst, Dichtung und Philosophie. Da man früher noch Ideale hatte und haben durfte, wurde auch die ästhetische Schönheit von Aglaia, Euphrosyne und Thalia als Ideal angesehen und nicht infrage gestellt.
Erstaunlich ist die Bedeutungsvielfalt dieser drei Frauen, die sich über die Jahrhunderte immer wieder wandelte.
Natürlich wurden sie als Gestalten der griechischen Mythologie von Zeus gezeugt. Wie könnte es angesichts ihrer Schönheit auch anders sein? In der Hierarchie waren die drei jedoch „Untergöttinnen“, denn alles braucht seine Ordnung. Die Frohsinnige, die Blühende und die Strahlende hatten die Aufgabe, den Menschen Anmut, Schönheit und Festfreude zu bringen. Sie ahnen schon, warum der Tod der drei Grazien eintreten musste?
Über die Zeit hinweg wurden die drei Grazien mit verschiedenen Attributen ausgestattet.
Auch ihr Verhältnis zueinander war nicht spannungsfrei. Auf diesem Mosaik schauen sie recht kritisch drein. Die eine hält wohl eine Schlange in der Hand und die andere einen Beutel, in den sie gehören soll. Die Mittlere wirkt vermittelnd aus ihrer Mitte heraus. Es gibt also immer wieder Rätsel, die uns zwar gestellt werden, die wir jedoch unmöglich lösen können.
Es war und ist riskant, etwas als typisch zu bezeichnen – und das gilt natürlich auch für die Kunst.
Verallgemeinerungen führen oft in die Irre. Hans Baldungs Malerei wurde natürlich auch von der italienischen Renaissance beeinflusst. Dennoch lassen die Themenwahl und das Klima seiner Bilder darauf schließen, dass der Maler ein Deutscher war, zumindest ein Maler, der nördlich der Alpen malte. Seine Darstellung von Hexen und die intensive Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit scheinen mir eher etwas charakteristisch deutsches zu sein.
Die Prägung des Künstlers während seiner Zeit in Dürers Werkstatt ist unverkennbar, obwohl er nicht dessen Eleganz erreichte.
Auffällig ist in seinen Gemälden auch die häufige Verwendung des sogenannten „Ideal-Porträts“. Die von ihm gemalten Gesichter ähneln sich und sind nicht auf Individualität ausgelegt. Gleiches lässt sich auch an der Körperlichkeit feststellen. Dies übrigens ganz ähnlich den Bildern aus der Werkstatt von Cranach.
Einzigartig ist jedoch seine intensive Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit.
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Wo Schönheit ist, ist auch Vergänglichkeit. Der Tod der drei Grazien trat ein, als die Moderne am Ende war und die selbstgefällige Ichbezogenheit in die Kunst Einzug hielt.
Der Künstler und seine Artefakte immer häufiger zu „Produkten“ verkamen. Die drei Grazien und das dazugehörige Gegenbild der drei Lebensalter von Hans Baldung Grien gehen im Übrigen heute noch unter die Haut. Freilich – Otto Dix brachte es auch fertig, uns dermaßen zu berühren.
Die Reduktion und die Expressivität der Baldungschen Gemälde sind frappierend und zeitlos in Form und Aussage.
Auch wenn die Richtung beim Lesen dieser zwei Bilder von rechts nach links geht, so könnte die Aussage nicht eindeutiger sein. Vom rechten äußeren Rand aus blickt uns eine junge Frau kokett an. Die mittlere Figur ist selbstbewusst und kennt ihre Reize. Die dritte hat einen Bezug zur Kinderschar auf dem Boden. Dann kommt der Bruch zur zweiten Tafel. Der Tod schreitet mit der alten Frau auf die Lebendigkeit zu, denn auch ihre Zeit läuft und läuft und läuft. Dabei schaut die todgeweihte Alte grimmig zur reifen Frau. Amor liegt am Boden. Der große Pfeil ist gebrochen. Es gibt keinen Ausweg.
Die drei Grazien von Raffael weisen eine Haltung wie die der frühen Darstellungen aus der Antike auf.
Vermutlich hat sich der Maler an diesen orientiert. Über die Kugeln, welche die drei in ihren Händen halten, gibt es verschiedene Mutmaßungen. Eine lautet, dass dieses Gemälde ursprünglich eine Darstellung des Urteils des Paris war. Die Kugel ist ein Symbol der Vollständigkeit. Versinnbildlicht also die Ganzheit von Seele, Geist und Leib.
Andererseits. Wenn die eine der Grazien ursprünglich einen Apfel in der Hand hielt, kann die Symbolik über Apfel zu Granatapfel und damit der Fruchtbarkeit gezogen werden.
Aber nicht nur dies ist zu bedenken. Weiterhin fällt auf, dass sich die Bildnisse der dargestellten Halbgöttinnen gleichen. Die Problematik der Unterscheidung zwischen Porträt und Idealporträt habe ich in meinem Beitrag „Ein Porträt kann Bildnis sein“ erörtert.
Sandro Botticelli | La Primavera
Nix Genaues weiß man nicht. Ein interessanter Aspekt der Kunst ist neben dem eigenen Genuss des „Nichtwissens“ der wissende Betrachter, den es eigentlich nicht gibt. Denn auch im Fall der Kunstrezeption und Reflexion ist Halbwissen nicht nur nervig, sondern oft auch widerlich und anmaßend, wenn dieses halbe Wissen als absolute Behauptung daherkommt. Denn es gibt leider immer Menschen, die behaupten, zu „WISSEN“ ohne Wissen zu haben. Zumal jenes behauptete Wissen oft aus einem Vorurteil, der allgemein grassierenden Selbstüberschätzung oder aus einer ideologischen Haltung heraus geäußert wird.
Das Gemälde Sandro Botticellis steckt voller Geheimnisse.
Man kennt weder die genaue Entstehungszeit des Gemäldes „La Primavera“ noch den Auftraggeber. Große Kunsttheoretiker befassten sich mit diesem Werk und keiner konnten es letztendlich schlüssig interpretieren. Primavera bedeutet übersetzt ganz simpel Frühling oder Frühlingszeit und klingt auf Italienisch einfach besser und beschwingter als in unserer Sprache. Ich möchte Ihnen jetzt nicht das gesamte Gemälde beschreiben, sondern auf die Gruppe der drei Grazien eingehen. Denn das ist hier unser Thema.
In meinem Text geht es um den Tod der drei Grazien.
Also betrachten wir die Malerei. Zeige mir einer „denjenigen“ oder meinetwegen auch „diejenige“, welcher oder welche im 20. Jahrhundert oder auch im 21. Jahrhundert ein größeres Können als Botticelli auf der Malfläche bewiesen hätte. Es gibt einige, die waren sehr gut, aber besser? Und was ist das. In der Malerei besser sein. Der Mensch möchte immer alles besser, schneller und schöner haben, jedoch scheitert er an der Kunst mit diesem Wollen. Dann hilft nur noch dumpfe und oft auch eine peinliche Behauptung der eigenen „Genialität“.
Jetzt schauen Sie sich mal die Hände der drei Grazien an und wie sie Botticelli dargestellt hat.
Dieses feinmotorische Superorgan ist nicht nur Instrument, sondern auch eine Art Sinnesorgan. Wir können mit den Händen fühlen und Gefühle vermitteln. Streicheln, schlagen und tasten. In der Hand sind auf göttlichem Rat hin mehr Knochen und Gelenke als in jedem anderen Körperteil verbaut.
Von den Nerven und unzähligen Sensoren nicht zu sprechen. Die Gelenke der Hand sind in ihrer Vielfalt unübertroffen und hoch spezialisiert. Und jetzt schauen Sie sich an, wie Sandro Botticelli die Hände seiner drei Grazien dargestellt hat. Auch wenn er die Gelenke nicht studiert haben dürfte wie ein Anatom, so hat er sie durch Betrachtung in Form und Funktion begriffen.
Botticelli kann nicht nur mit seinen, sondern auch mit den Händen seiner Grazien spielen wie ein Zauberer der Schöpfung. Da ist nichts angestrengt. Seine duftige Malerei erscheint wie dahingehaucht. Wo soll da Fortschritt herkommen? Die Malerei kennt keinen Fortschritt in unserem Fortschrittssinn. Dies macht sie so einzigartig. Rückschritt gibt es aber schon. Ob dieser mit dem Tod der drei Grazien einhergeht?
Lucas Cranach war ein früher Vertreter der seriellen Kunst.
Vieles war früher, als heute gemeinhin angenommen wird. Es gibt eine „Ich Zentrierung“ und eine „kollektive Zentrierung“ auf eine Zeit, von der man denkt, sie sei mit einem selbst verbunden und deshalb außerordentlich. Nicht nur gelegentlich denken wir von uns, wir seien die Größten, Schönsten und Besten. Man könnte es in diesem Fall auch kunsttheoretische Arroganz nennen.
Nehmen wir Lucas Cranach den Älteren. Er lebte von 1472 bis 1553. Also ein ganzes Stück vor der sogenannten Moderne.
Denn die Moderne erhebt den Alleinanspruch auf die Begrifflichkeit der seriellen Kunst. Da ich in dem Beitrag der Tod der drei Grazien über ein Motiv schreibe, schreibe ich also über die serielle Kunst an sich.
Die Werke der Cranachwerkstatt entspringen zu einem großen Teil einer seriellen Kunst Produktion. Aber ist dieser Begriff wirklich so weit entfernt von der seriellen Kunst, wie sie für die Moderne definiert wird? Recherchiert man, taucht die Pop-Art und Andy Warhol inclusive Marilyn Monroe und Campbell’s Suppendosen zuerst auf.
Auch in der Wiederholung eines Motivs von Cranachs Grazien spielen sich kompositorische und malerische Entwicklungen ab. Nicht so spektakulär und offensichtlich wie bei Monets Heuhaufen oder Kathedralen, aber erkennbar. Auch Monet hatte ein bestimmtes Kalkül. Er stellt 1891 in der Pariser Galerie Paul Durand-Ruel fünfzehn Heuschober und vier Jahre danach achtundzwanzig Ansichten des Portals der Kathedrale von Rouen aus.
Cranach malte auf Bestellung und Monet hatte das Serielle für den Markt entdeckt wie Warhol und viele andere Kollegen der malenden Zunft.
Fast alle beginnen unten, und manche bleiben das ganze Leben dort.
Der Zufall spielt auf jeden Fall eine Rolle. Der Galerist Paul Durand-Ruel trifft um 1870 Claude Monet. Zu diesem Zeitpunkt ist der Maler bettelarm.
Jedoch wendet sich das Blatt, als der Galerist ihm dutzendweise die Bilder für 300 Francs abkauft.
Dieser Betrag ist nicht zu unterschätzen, denn er ist das Hundertfache des Tagesverdienstes eines Pariser Arbeiters. Freilich spekuliert Durand-Ruel. Ja, er geht fast pleite. Bis er dann – natürlich in den Vereinigten Staaten – für seine Künstler den Durchbruch schafft.
Danach läuft das Geschäft mit der erst verschmäten Kunst wie geschmiert.
Denken wir nach. Es liegt nahe, in diesem Fall seriell und schnell zu arbeiten. Wo also ist dann genau der Unterschied zwischen serieller Produktion und serieller Kunst? Cranachs Auftragsbücher waren voll. Also produzierte seine Werkstatt Nymphen, Venus Gemälde und auch einige Motive mit den drei Grazien als Motiv in Serie.
Liebe Kunsttheoretiker. Steckt die Idee vom autonomen Künstler in die unterste Schublade mit der Bezeichnung „romantisches Denken“.
Künstler wie Menschen waren nie autonom. Selbst im All ist der Homo sapiens wie auch Katz und Hund vom Sauerstoff abhängig. Das die moderne Ausstellungspraxis bei Monet ihren Anfang nahm, will ich jedoch sofort glauben. Auch anderer Aspekte des Seriellen sind mir einsichtig. Und doch hat immer und auch alles etwas mit dem Markt zu tun.
Vergleiche hinken. Aber sie sind doch aufschlussreich, denn mich interessierten schon immer die Unterschiede zwischen der Renaissance nördlich und südlich der Alpen. Und auch der Tod der drei Grazien kommt in diesen Überlegungen vor.
Ein wirklich krasses Beispiel ist der Vergleich zwischen Lucas Cranach, dem Älteren und Jacopo Pontormo. Die von den zwei Meistern zur gleichen Zeit gemalten Werke scheinen formal und malerisch Lichtjahre auseinanderzuliegen. Cranach ist in seiner bodenständigen Werkstattproduktion gefangen, während Pontormo himmelgreifende Bilder malt und mit Bronzino am Abend speist. Leider findet man keinen direkten Vergleich von drei nackt gemalten Grazien, jedoch eine Zeichnung der drei Grazien von Jacopo.
Nackt hin oder her. Der malerische Furor von Pontormo kommt in allen seinen Arbeiten zum Ausdruck.
Die „Heimsuchung“ ist ein gutes Beispiel. Die emotionale Aufladung der Bilder des Manieristen steht im krassen Gegensatz zu dem durch Martin Luther geprägten Cranach. Denn die Katholiken haben schon immer das bessere Theater zu bieten und laden ihre ikonografischen Inhalte emotional auf.
Pontormo wurde nach seinem Tod nahezu vergessen. Sie fragen sich warum? Er ist wohl die stärkste Figur des Manierismus. Es waren die Kritiker – Theoretiker und Neider.
Und zuvorderst ein mittelmäßiger Maler-Kollege. Vasari sein Name. Diesem Giorgio Vasari haben wir einiges zu verdanken, denn als Biograf der italienischen Künstler ist er auch heute noch von Bedeutung. Pontormo jedoch war seine Generation und überragte Vasari malerisch bei weitem. Also menschelt es – wird es subjektiv und ungerecht.
Auch die weitere Kunstgeschichtsschreibung bis in die Moderne hinein schätzte Pontormo nicht, ignorierte ihn oder verachtete gleich den von ihm missachtend als Manierismus bezeichneten Stil insgesamt.
Der Manierismus ist an sich verdächtig. Denn er gründet auf der Maniera. Auf einen ganz eigenen und individuellem Stil, der bis ins Extreme hinein entwickelt wird. Dagegen steht die Cranachwerkstatt auf irdenen Boden und arbeitet einen Berg von Aufträgen ab. Und befriedigt die Kundschaft, ohne aus der Reihe zu tanzen.
Der Rubens treibt es in jungen Jahren wild und hält sich nicht an die Regeln.
Er weigert sich in diesem Gemälde den hellenistischen Typus der Grazien-Gruppe umzusetzen. Da tragen die Grazien plötzlich einen reich gefüllten Blütenkorb und tanzen aus den kanonischen Kompositionsregeln. Deshalb kommt den Grazien auch eine andere Bedeutung zu. Sie werden zum Sinnbild des Überflusses, der Natur und zu einer Art Lebensbrunnen.
Ob diese Komposition für die zahlreichen dekorativen Artefakte, die sich auf dieses Bild beziehen, zurückführen lassen, ist nicht eindeutig zu beweisen.
Aber wir kennen ja die Pappenheimer, die alles klauen und als eigenes verkaufen.
An die 10 Jahre später schuf Peter Paul Rubens eine der berühmtesten Darstellung der drei Grazien.
Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau ehelichte er Hélène Fourment und damit sein Idealmodell.
Jetzt muss es doch mal geschrieben sein. Die drei Grazien sind die Verkörperung von Poesie, Malerei und Musik.
Als ich das Handwerk der schönen Künstle erlernte, grüßte ich täglich die drei Grazien am Eingang der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Dort hingen sie in Form eines antiken Reliefs an der Wand. Andere interpretieren sie anders. Für mich sind sie jedoch diese Verkörperungen. Ganz aus Eigennutz. Freilich lasse ich auch die anderen Interpretationen gelten. Denn die Antike hat immer recht.
Irgendwo habe ich gelesen „Natura wird von den Grazien entschleiert“.
Wer kann uns mehr vom Leben lehren als die reine Natur. Ja, das Gemälde der drei Grazien ist erotisch und hinter den Chariten grasen friedlich drei Rehe. Obwohl man die Damen im Vordergrund zuerst betrachtet, sind sie ein Teil der Natur.
Ein fetter Putto umklammert ein Füllhorn, aus dem das Wasser des Lebens fließt.
Wer jetzt jedoch denkt, das Dargestellte ist idealisiert, der irrt. Denn schauen wir uns die Damen genau an, so sind diese realistisch dargestellt. Rubens war so gesehen ein Realist und dies lange vor Courbet. Wenn auch ein Realist der üppig-barocken Lebensfreude. An der Qualität dieses grandiosen Werkes ist abzulesen, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach und in all seinen Teilen von der Hand des Meisters und zu seinem eigenen Vergnügen geschaffen wurde. Denn kein Auftraggeber ist bekannt.
Auch der Maler Francesco Furini wurde erst im 20. Jahrhundert wiederentdeckt.
Ob er in Sippenhaft mit den Manieristen rund um Pontormo genommen wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls ist er einer der wichtigsten Protagonisten der Florentiner Malerei des frühen 17. Jahrhunderts und dem Übergang zum Hochbarock.
Sie merken es. Die Leichtigkeit der himmelstrebenden Manieristen ist dahin. Im Barock wird es nicht nur fülliger, sondern auch schwerer.
Was mir jedoch bei Furini besonders auffiel, sind seine Figuren. Speziell jene, welche mit dem Rücken zum Betrachter dargestellt sind.
Zum Teil verschwindet ihr Antlitz im Nichts. Der Künstler provoziert unsere Sehgewohnheiten, indem er uns den Blick in das Gesicht der Dargestellten verwehrt.
Die einen werden meinen, es sei aus diesem Grund ein sinnloses Bild.
Ich erachte diese Herangehensweise als einen mutigen Schritt zu einer Form der Abstraktion. Der Rückenausschnitt mit dem Gewand ergibt eine eigene Form, die an sich Bild genug ist.
A priori bin ich der Meinung, dass Künstler aus der Intention heraus arbeiten. Also nicht unbedingt einem Denkmuster folgen, welches sich der geschulte Betrachter entwickelt. Sondern das er einmal Erfasstes und Erlerntes in seine Werke einfließen lässt, ohne ständig darüber nachzudenken.
Furini hat wahrnehmungspsychologisch das Richtige getan.
Durch das Verschleiern und Verbergen steigert er die Begehrlichkeit des Betrachters mehr zu sehen. Wir kennen dieses Vorgehen auch von allseits bekannten zeitgenössischen Künstlern.
All denen kann man einen „Leonardismus“ nachsagen.
Denn das Sfumato und die Helldunkelmalerei wird gemeinhin auf Leonardo zurückgeführt. Furini ist jedoch eher ein „Caravaggeschi“ zu nennen, denn er ist sehr nahe an seiner Manier, wie die dunklen Hintergründe und Kontraste erkennen lassen.
Natürlich müsste man jetzt noch auf die malerische Behandlung des Haars eingehen, die den Protagonistinnen seiner Gemälde eine eindeutig erotische Präsenz verleihen. Dazu ist dann hoffentlich in einem weiteren Blogbeitrag Platz. Denn hier geht es zuerst um den Tod der drei Grazien. Derzeit sind sie noch prall im Leben.
INFOBOX | Die drei Grazien
Die drei Grazien, auch als Chariten bekannt, sind mythologische Figuren, die in der Kunstgeschichte eine bedeutende Rolle spielen.
Diese anmutigen Schwestern sind in der griechischen Mythologie als Aglaia (Glanz), Euphrosyne (Freude) und Thalia (Blüte) oder auch die üppig Gewachsene bekannt. Sie repräsentieren die Schönheit, Anmut und Freude, und ihre Darstellung in der Kunst reicht bis in die Antike zurück.
Die ersten bekannten Darstellungen der drei Grazien stammen aus dem antiken Griechenland, insbesondere aus der Zeit des Klassizismus.
In der griechischen Mythologie waren die Chariten ursprünglich Töchter des Gottes Zeus und der Göttin Hera. Ihre Funktion bestand darin, Harmonie und Schönheit in der Welt zu fördern, insbesondere in Bezug auf menschliche Tugenden wie Liebe, Kreativität und Musik.
Eine der frühesten Darstellungen der Grazien findet sich auf dem Pergamonaltar, einem hellenistischen Meisterwerk aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Dieser Altar, der im heutigen Bergama, Türkei entdeckt wurde, zeigt die Chariten in einer Szene, die den Göttern huldigt. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Grazien zum beliebten Motiv in der griechischen Kunst.
Mit dem Aufstieg des Römischen Reiches übernahmen die Römer viele Elemente der griechischen Kultur, einschließlich der mythologischen Figuren wie der drei Grazien.
Die Darstellungen der Grazien in der römischen Kunst ähnelten oft denen der Griechen, aber es gab auch einige Unterschiede in der Darstellung und Interpretation. In der Renaissance erlebten die drei Grazien eine Wiederbelebung als Motiv in der bildenden Kunst. Künstler wie Sandro Botticelli, Raffael und Peter Paul Rubens schufen beeindruckende Gemälde und Skulpturen, die die Anmut der Grazien betonten. Diese Künstler griffen nicht nur auf antiken Quellen zurück, sondern interpretierten die Grazien auch im Kontext ihrer eigenen Zeit und Kultur.
Die Bedeutung der drei Grazien in der Kunstgeschichte liegt vor allem in ihrer symbolischen Repräsentation von Schönheit, Anmut und Freude.
In vielen Darstellungen werden sie als elegante Frauen mit ätherischer Schönheit und harmonischen Proportionen dargestellt. Die Grazien werden in der Regel in Gruppen von drei gezeigt, wobei jede eine spezifische Tugend oder Qualität verkörpert. Darüber hinaus können die Grazien als Allegorie für die schönen Künste, insbesondere für Musik, Tanz, Poesie oder auch bildender Kunst interpretiert werden. Ihre Anwesenheit in Kunstwerken sollte den Betrachter dazu anregen, Schönheit und Harmonie in allen Aspekten des Lebens zu schätzen und zu fördern.
Charles André van Loo (1705–1765) war ein französischer Maler des Rokoko, der während des 18. Jahrhunderts wirkte.
In Bezug auf die Häufigkeit der Verwendung der drei Grazien als Motiv in seiner Malerei ist es wichtig zu beachten, dass van Loo ein breites Spektrum von Themen abdeckte, darunter historische, mythologische und allegorische Darstellungen. Die drei Grazien waren zwar ein beliebtes Motiv in der Kunstgeschichte, aber van Loo hat sie nicht in dem Maße verwendet, wie einige seiner Zeitgenossen. Im Verhältnis zu Boucher, dem Meister der „graziösen Frivolität“, war er der „ernstere“ Maler, der sich auch mit historischen und mythologischen Themen befasste. Dies kommt auch in seiner Malerei zum Ausdruck, die eine „klassizistischere“ Anmutung hat. Denn van Loo benutzt eher das Zeichnerische und trennt Binnen- von Außenform durch eine klare Kontur.
Van Loo war bekannt für seinen geschmeidigen und dekorativen Stil, der charakteristisch für das Rokoko war.
Seine Werke zeichneten sich durch Eleganz, Leichtigkeit und eine Vorliebe für lebhafte Farben aus. Im Gegensatz zum Barock war das Rokoko von einer zarteren Ästhetik geprägt, die sich durch Ornamentik, Verspieltheit und eine gewisse Leichtigkeit in der Darstellung auszeichnete.
Nacktheit wurde in der Kunst dieser Zeit als künstlerisches Mittel betrachtet, um Schönheit und Vollkommenheit zu betonen, anstatt eine explizite oder naturalistische Darstellung des menschlichen Körpers zu verfolgen.
Auch van Loo stellte Nacktheit im Rahmen von mythologischen oder allegorischen Themen dar. Dies ermöglichte es den Künstlern, die menschliche Form zu idealisieren und gleichzeitig moralische oder philosophische Konzepte zu vermitteln.
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Die „graciöse Frivolität“ im Werk von François Boucher bezieht sich auf die charakteristische Leichtigkeit, Anmut und sinnliche Verspieltheit seiner Gemälde, die typisch für das Rokoko waren.
Boucher war einer der führenden Künstler dieser Epoche, die sich durch eine Abkehr von den ernsthaften und strengen Formen des Barock zu mehr Leichtigkeit und Sinnlichkeit auszeichnet. Seine Werke waren von einer dekorativen Eleganz durchdrungen, die oft als „graziös“ bezeichnet wird.
In Bezug auf die erotische Komponente seiner Gemälde zeigte François Boucher eine Vorliebe für Darstellungen von Liebe, Vergnügen und sinnlichen Freuden.
Seine Werke enthalten oft nackte oder halbnackte Figuren in idyllischen Umgebungen. Die Erotik in Bouchers Gemälden ist jedoch selten explizit oder vulgär, sondern eher subtil, charmant und von einer spielerischen Leichtigkeit geprägt. Die Darstellung von Akten und intimen Szenen diente oft dazu, eine Atmosphäre der Sinnlichkeit und des Vergnügens zu schaffen.
Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, insbesondere die französische Aristokratie, schätzte Bouchers Werke wegen ihrer eleganten Leichtigkeit und ihres unterhaltsamen Charakters.
Die Rokoko-Ära war geprägt von einem hedonistischen Lebensstil, und Bouchers Gemälde spiegelten diese Haltung wider. Die Menschen der Zeit betrachteten Kunst als Mittel zur Unterhaltung und Flucht aus den realen, oft anspruchsvollen Aspekten des Lebens.
Was die Frauen der Zeit betrifft, so spielten sie häufig eine zentrale Rolle in Bouchers Gemälden. Viele seiner Modelle waren Frauen aus der französischen Aristokratie, einschließlich seiner Mäzeninnen und Damen des Hofes.
Die Frauen der Gesellschaft schätzten oft die Darstellungen von Grazie und Schönheit in Bouchers Werken und unterstützten seine künstlerische Karriere.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Modelle in Bouchers Gemälden oft idealisierte und stilisierte Darstellungen von Frauen waren. Die erotische Komponente seiner Werke sollte nicht als pornografisch, sondern als Ausdruck der Freude am Leben und der Schönheit verstanden werden, die im Einklang mit den Werten und Vorlieben der Rokoko-Ära stand.
Insgesamt verband François Boucher in seinem Werk die Vorlieben der Zeit für sinnliche Genüsse mit einer anmutigen und dekorativen Ästhetik, die seine Gemälde zu charakteristischen Beispielen des Rokoko machten.
Johann Zoffany (1733–1810) war ein deutscher Maler des 18. Jahrhunderts, der vor allem in England tätig war. Er wird oft mit der Neoklassik und dem Rokoko in Verbindung gebracht, aber seine Kunstwerke überspannen mehrere Stile und Genres.
Ich bin bei meiner Recherche auf ein Gemälde gestoßen, welches so gar nicht in sein Werk passen will.
Zoffany war bekannt für seine Fähigkeit, lebendige und detaillierte Gruppenporträts zu schaffen. Er war auch ein Pionier in der Darstellung von Theater- und Bühnenszenen, was zu seiner Bekanntheit beitrug. Jedoch zeichnen sich seine Werke durch eine präzise Komposition, eine genaue Wiedergabe von Details und eine sorgfältige Beobachtung der Charaktere aus, die ich auch bei dieser Arbeit erkenne. Dieses kleine Bildtäfelchen dürfe jedoch privater Natur sein. Denn die innige körperliche Nähe der drei Grazien ist beachtlich und in den traditionellen Kompositionen nicht in diesem Maße zu erkennen.
George Frederick Watts (1817–1904) war ein bedeutender britischer Maler und Bildhauer des 19. Jahrhunderts.
Watts war vielseitig und sein Werk erstreckte sich über verschiedene Genres und Stile. Er gehörte zur viktorianischen Ära, die die Regierungszeit von Königin Victoria (1837–1901) in Großbritannien umfasste. Diese Epoche war von einem breiten Spektrum kultureller, wirtschaftlicher und politischer Veränderungen geprägt.
Watts interessierte sich für mythologische und allegorische Themen, die er in einer ernsten und symbolischen Weise interpretierte. Der nackte Körper wurde von ihm oft als Mittel verwendet, um universelle Ideen und menschliche Emotionen auszudrücken.
Ein berühmtes Beispiel seiner Malerei ist das Werk „Hope“ (Hoffnung), auf dem zwar keine nackte weibliche Figur zu sehen ist, welches jedoch seine malerische Sensibilität sehr gut illustriert. Das Werk ist eine Allegorie der Hoffnung und wurde zu einem seiner bekanntesten Gemälde.
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Watts malte auch die drei Grazien, wobei er diesen mythologischen Figuren seine eigene Interpretation verlieh. Sein Gemälde „The Three Graces“ zeigt die Grazien nicht in der üblichen anmutigen und verspielten Darstellung, sondern betont eher ihre spirituelle Dimension.
„Die Figuren sind ernst und nachdenklich dargestellt, und das Gemälde reflektiert Watts‘ Interesse an moralischer und geistiger Entwicklung. (Zitat Chatgpt)“
Diese Aussage ist natürlich subjektiv. Die Behauptung in der Suche, sein Gemälde Hoffnung sei die bekannteste Aktdarstellung in seinem Werk ist jedoch einfach falsch. Die KI kann Hilfreich sein aber auch gefährlich. Denn oft erzeugt sie Bullshit und wurschtelt sich irgendwas aus gefundenen Texten zusammen. Blind ist sie allemal – wie an diesem Beispiel bewiesen. (Habe nach verschiedenen Testläufen gekündigt da die Fehleranfällingkeit enorm ist.)
Obwohl Gustave Courbet meines Wissens nach die „Drei Grazien“ nicht als Motiv verwendet hat, ist sein Werk dennoch wichtig und sollte hier erwähnt werden.
Auch schon in Rubens‘ Darstellung der drei Grazien können wir eine Form des Realismus erkennen. Es gibt zwar keinen klaren Beweis dafür, dass Helene Fourment direkt für das Gemälde „Die drei Grazien“ Modell stand, aber es wird angenommen, dass sie möglicherweise als Inspiration für die Darstellung der weiblichen Schönheit in diesem Werk gedient haben könnte. Ein Vergleich mit dem Gemälde „Das Pelzchen“ scheint mir jedoch ausreichend als Beleg. Rubens hat also in realistischer Manier ein Aktporträt seiner von ihm angebeteten Frau geschaffen.
Gustave Courbet wird zu Recht als der „Erfinder“ des Realismus betrachtet, da er sich stark am Modell orientierte und als einer der ersten die Fotografie als Vorlage für seine Gemälde nutzte. Ebenso verzichtete er darauf, Allegorien oder Gleichnisse zu verwenden, um nackte menschliche Körper darzustellen.
Mit ihm bricht ein altes System auf. Ist hiermit der Tod der drei Grazien eingeläutet?
Ich frage mich wie wohl auch einige andere meines Faches, was denn eigentlich moderne Kunst ist und woran man sie erkennen kann. Dies ist überraschend. Aber am Werk von Lovis Corinth kann man die Entwicklung der herannahenden Moderne gut erklären.
Corinth war bekannt für seine stilistische Vielfalt. Er durchlief verschiedene Phasen in seiner Karriere, darunter den Impressionismus, Symbolismus und Expressionismus. Diese Bereitschaft zur Experimentierfreudigkeit und die Fähigkeit, sich an neue Strömungen anzupassen, sind charakteristisch für moderne Künstler. Ihr Markenkern.
Corinth erlebte und reagierte auf die Veränderungen und Herausforderungen seiner Zeit. In der Kunstgeschichte markierte die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert den Übergang von der Tradition zur Moderne. Künstler begannen, traditionelle Konventionen zu hinterfragen und neue künstlerische Ausdrucksformen zu erkunden. Corinth trug dazu bei, diesen Übergang mitzugestalten.
Moderne Künstler waren oft darauf bedacht, ihre persönliche Vision und ihre individuelle künstlerische Handschrift auszudrücken. Corinth verfolgte in seinen Werken eine expressive und subjektive Darstellungsweise, die sich vom damals vorherrschenden akademischen Realismus abhob. Corinth schuf auch Aktgemälde, die sowohl traditionelle als auch moderne Elemente vereinten.
Aktmalerei wurde in der Moderne oft als Mittel betrachtet, um den menschlichen Körper auf neue Weisen zu erforschen und auszudrücken.
Corinth trug dazu bei, die Aktmalerei in die Moderne zu führen, indem er neue Techniken und Interpretationen einbezog. Insgesamt kann Lovis Corinth aufgrund seiner Vielseitigkeit, seines Einflusses auf die Moderne und seiner Bereitschaft zur Experimentierfreudigkeit als moderner Künstler betrachtet werden obwohl er wie bei seinen „Drei Grazien“ oft mythologische und allegorische Themen verwendete um Nacktheit darzustellen.
Beachten Sie den selbstbewussten Ausdruck der „linken Grazie“ und Sie sehen mit dem Gemälde sind wir schon nahe an unserer Zeit.
Frantisek Kupka (1871–1957) war ein tschechisch-französischer Maler und einer der Pioniere der abstrakten Kunst. Sein Werk lässt sich kunsthistorisch in den Kontext des Abstrakten Expressionismus und des Orphismus einordnen.
Jedoch beschäftigte sich Kupka in seinen frühen Werken auch mit der Aktmalerei. Obwohl er den menschlichen Körper nicht nur als physisches Objekt sah, sondern versuchte, ihn in eine spirituelle Dimension einzubeziehen, haben wir es bei diesen drei Grazien mit einer eher deftig-barocken Darstellung des Sujets zu tun. Man könnte auch meinen: Er nimmt das Ganze nicht ernst.
Pierre Bonnard (1867–1947) war ein französischer Maler und Grafiker, der zu den führenden Vertretern des Post-Impressionismus und der Kunstbewegung der Nabis gehörte.
Bonnard war Mitglied der Künstlergruppe „Les Nabis“ (Die Propheten), die sich Ende des 19. Jahrhunderts formierte und sich durch ihre experimentelle Herangehensweise an Farbe und Form auszeichnete. In Bezug auf Aktmalerei war Bonnard bekannt für seine intimen und häufig sinnlichen Darstellungen des weiblichen Akts, die er in seinem eigenen, sehr sinnlichen Stil gestaltete. Diese Aktgemälde zeichneten sich durch lebhafte Farben, eine feine Linienführung und eine oft träumerische Atmosphäre aus. Bonnard malte häufig den Impressionisten folgend in seinem eigenen Zuhause oder im Freien, wodurch er intime und persönliche Szenen schuf.
Bonnard war jedoch nicht dafür bekannt, allegorische Themen wie die der drei Grazien zu malen.
Sein Fokus lag eher auf der Darstellung des Alltags und persönlicher Szenen. Also wird der Bildtitel „les trois greaces“ lediglich auf die drei dargestellten Akte bezogen sein und keine allegorische Bedeutung haben.
Pablo Picasso beschimpfte angeblich Bonnard als “Neo-Impressionisten”.
Und bezeichnete ihn als einen “Dekadenten”. Und dies nur, weil er die Natur zum Vorbild hatte. Weiter höhnte angeblich Picasso.
“Noch etwas nimmt mich gegen Bonnard ein. Wie er nämlich die gesamte Bildoberfläche als zusammenhängendes Farbfeld füllt, mit einer Art von kaum wahrnehmbarem Gezitter, Pinselstrich für Pinselstrich, Zentimeter für Zentimeter, aber vollständig ohne jeden Kontrast”.
Dieses angebliche Zitat fand ich in einem Zeitungsartikel. Weiter recherchiert wird der Kunsthistoriker Wilhelm Hausenstein für diese Verunglimpfung haftbar gemacht. Also antworte ich mit Matisse, der den Kunsttheoretikern sehr kritisch gegenüberstand:
„Die Wahrheit ist, dass ein Maler eben nur mit der Palette in der Hand existiert und dann tut, was er kann.“
Man meint Bildtitel spielen in der Malerei und der bildenden Kunst eine bedeutende Rolle, da sie dem Betrachter zusätzliche Informationen über das Kunstwerk liefern. Das mag gelegentlich so sein. Oft sind diese Titel jedoch lediglich eine mäßige Beschreibung des zu Sehenden.
Denn der Tod der drei Grazien war schon lange vor Bonnard eingetreten, als deren eigentliche Bedeutung immer mehr verschwand.
Ein bekanntes Beispiel ist Picassos Werk „Les Trois Grâces“, das er im Jahr 1921 malte, welches oft mit der Bezeichnung „Drei Frauen am Brunnen abgebildet wird und ein guter Beleg für die Willkürlichkeit der Betitelung von Kunstwerken ist.
Man findet jedoch auch noch einige seiner Gemälde und Zeichnungen, die unter dem Titel die drei Grazien firmieren. Einen inhaltlichen Bezug kann ich jedoch außer der sichtbaren drei Frauen nicht ausmachen. Es gibt auch einige Theoretiker, die das Thema unserer Grazien in seinem Les Demoiselles d’Avignon sehen wollen.
Die Exegese dieses Kunstwerks steht im krassen Gegensatz zu dieser Titelbehauptung.
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Wenn man weiter recherchiert, findet man mit einiger Mühe Werke von Fernand Léger, Jan Metzinger oder auch Fernando Botero, die diesen Titel tragen, sich jedoch offensichtlich lediglich auf die drei Frauen beziehen. Sprich drei Frauen = drei Grazien
Letztendlich meint man in der Gegenwart die drei Töchter des Zeus und der Eurynome, Euphrosyne (die „Frohsinnige“), Thalia (die „Blühende“) und Aglaia (die „Strahlende“) mal fix die Themen Geschlechterrollen und Normen überstülpen zu müssen und instrumentalisiert sie.
Der Tod der drei Grazien ist damit endgültig eingetreten.
NACHTRAG ZUM VORTRAG
Wir dürfen getrost behaupten, dass die drei Grazien um einiges älter als Jesus Christus sind.
Und irgendwie leben die Grazien in uns weiter. Ich, der Schreiber dieses Blogs mit meinen vielen Behauptungen und Erkenntnissen bin natürlich ein Teil dieser titelgebenden Branche und habe selbst einigen meiner Werke den Titel „Die drei Grazien“ gegeben. Gelegentlich sind auch vier Grazien daraus geworden. Dann nannte ich dieses Erzeugnis vier Grazien. Denn die Grazie an sich und im Besonderen steht für das lateinische Gratia Anmut oder auch Lieblichkeit. Also letztendlich für eine Form des Schönen.
Die drei Grazien unterstützen Luna / Merkur / Venus. Und, Sol / Merkur / Venus. Sie sind Allegorien des Tages und der Nacht. Dazwischen liegen (Morgen und Abendröte) in einer Person. Sie sind jugendliche Gestalten und helfen auch nur Planeten die bis hin zur Sonne reichen. Bei den Elementen stellen sie die beiden Grenzplaneten dar. Solange es in der Jugendlichkeit bleibt, ist es im Prognostikum eher gut. Sind aber Saturn und Mars darin beteiligt fallen alle Prognostik schlecht aus. Die jugendlichen Planeten (Sonne und Mond gelten als Lichter) können am Tag-, am Nachthimmel und in der Morgen- und Abendröte dank der drei Grazien beobachtet werden.
Schade, daß Sie das Bild von Courbet nicht genauer betrachtet/interpretiert/ beschrieben haben. Aus sämtlichen Darstellungen dreier Grazien fällt dieses Gemälde als brutal, ungekonnt, zufällig, häßlich, unfertig heraus. Alles an diesem Bild ist unklar, die Anatomie der mittleren Frau kommt in der Natur wohl so nirgends vor, ihr Kopf ist zu groß, sie hat eine nicht erklärbare Delle am Unterleib, ihr rechter Fuß hat Courbet wohl nicht interessiert, ihre Figur (mit dem von Courbet so geliebten unförmigen – Jodmangel? – Hals) wirkt verwachsen, sie gleitet (denn sie sitzt nicht) von einer nicht genauer definierten Struktur (Felsen, Böschung?) ins Wasser, während die andere vom gleichen häßlichen, zu kurz geratenen und schnurrbärtigen Typ ihr in die Haare faßt. Von dieser sieht man nicht viel, außer eine von einem mutmaßlichen Kleidungsstück gebildete Masse und einen mit einem primitiven Pantoffel (in Österreich: Schlapfen) bekleideten Fuß. Auch bei der dritten hat Courbet sich mit der Natur nicht weiter aufgehalten: ihre linke Hand läuft in einem flossenhaften Gebilde aus, die rechte scheint verkrüppelt zu sein, die Füße verschwinden im Wasser oder hinter einer räumlich nicht verständlich angeordneten Vegetation.
Was ich nicht begreife: warum wird Courbet unter „Naturalismus“ oder „Realismus“ subsumiert? Waren diese krüppelhaften, hirsutischen Zwergfrauen sein Fetisch?