Hamburg – Currywurst in der Tüte
Nach meinen Wurst-Exkursionen in Norwegen und auf den stürmischen Shetlands war ich froh, wieder deutschen Wurst-Boden unter den Füßen zu haben. Und was macht man da als kulturbeflissener Bratwurst-Forscher? Richtig: Man testet die deutsche Nationalwurst – die Currywurst.
Hamburg – Currywurst in der Tüte und die Heimat ist da.
Nun ist Hamburg nicht unbedingt das spirituelle Zentrum der Currywurst – da würden Berlin oder das Ruhrgebiet vermutlich Einspruch erheben. Aber was soll ich sagen? Die Currywurst in der Tüte war erstaunlich gut. Jedenfalls für meinen mitteleuropäischen Gaumen, der nach nordischem Fast-Food-Realismus ein wenig nach Trost verlangte.
Woran lag’s? Der Unterschied war schnell geschmeckt: Es war süß! Nicht bonbonsüß, aber rund, weich und gefährlich angenehm im Abgang. Ich vermute stark, dass deutschen Würsten ein höherer Zuckeranteil beigemischt wird als ihren nordischen Verwandten. Dort oben ist die Wurst eher nüchtern, manchmal fast protestantisch streng. Hier bei uns schmeichelt sie und macht so manchen abhängig.
Wie wir wissen, sind Fett, Zucker und auch Alkohol wahre Zauberstoffe für unser Geschmacksempfinden. Während Alkohol bei der Currywurst eine Nebenrolle spielt (außer vielleicht im dazu gereichten Bier), übernehmen Fett und Zucker souverän die Hauptrollen.
Die Soße – süße Seele der Currywurst in der Tüte
Die Soße ist das eigentliche Herzstück der Currywurst. Ohne sie wäre die Wurst nur eine halbe Sache. Ja sie wäre keine Currywurst. Die klassische Currysoße ist ein komplexes Gemisch aus Ketchup, Currypulver, Tomatenmark, Essig, Gewürzen – und eben auch: Zucker.

Je nach Region und Anbieter variiert die Rezeptur stark – manche schwören auf Apfelmus oder Cola, andere auf Zimt, Senf oder sogar Pflaumenmus. Was alle verbindet: Eine süß-pikante Balance, die süchtig machen kann. Exemplarisch hierfür steht die Currywurst in der Tüte am Hamburger Hauptbahnhof.
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Herta Heuwer, die Erfinderin der Currywurst (Berlin, 1949), mischte ihre Soße aus britischem Currypulver und amerikanischem Ketchup – beides Mitbringsel der alliierten Besatzungsmächte. Ein kulinarisches Kind der Nachkriegszeit, süß, würzig, multikulturell. Und irgendwie auch ein Symbol für die neue Bundesrepublik: pragmatisch, genussfreudig, ein bisschen improvisiert – aber sehr erfolgreich.
Zuckertüte nicht nur für Erwachsene
Die Hamburger Currywurst kam also in der Tüte – aber genau genommen war es auch eine Zuckertüte. Nur ohne Schleife, dafür mit Ketchup, Currypulver und ein bisschen Sentimentalität.
Doch bei aller Begeisterung sei auch ein Wort zur Kehrseite der Currywurst in der Tüte erlaubt: Zucker, so charmant er sich auch im Geschmack versteckt, ist ein alter Bekannter im Gesundheitsdiskurs. Übermäßiger Konsum steht im Verdacht, allerlei Zivilisationskrankheiten zu fördern – von Karies über Fettleber bis zu Diabetes Typ 2.
Gerade in versteckter Form – wie in Würsten, Soßen oder industriell verarbeiteten Lebensmitteln – ist Zucker ein stiller Mitesser. Oft merkt man gar nicht, wie viel davon man eigentlich zu sich nimmt. Und auch wenn die Wurst selbst nicht gleich in die Notaufnahme führt: Ein bisschen Bewusstsein schadet nicht. Genuss darf gerne bewusst sein. Dann bleibt er auch Genuss.