Colmar im Weihnachtswahn
Es gibt Erlebnisse, welche zuerst gründlich verdaut und dann eingeordnet werden.
Colmar mit Weihnachtsbeleuchtung am späteren Abend.
Eigentlich war ich nach Colmar gekommen um die Ausstellung “Otto Dix und der Isenheimer Altar“ zu besuchen. Um dies in Ruhe tun zu können, war eine Übernachtung angebracht. Denn zweimal sollte man solch eine grandiose und überaus wichtige Ausstellung schon besuchen, um alles zu erfassen. Mit der Ausstellung im Kopf und der Vorfreude auf ein kräftiges elsässisches Essen nebst Riesling suchte ich meine Herberge mitten in der Stadt und geriet in einen erstickenden Weihnachtstrubel. Nicht ein Weihnachtsmarkt. Nein fünf Weihnachtsmärkte und auf den Weg zu diesen kein wesentlicher Unterschied. Alles lärmend, behangen mit Zeug, dass zur Weihnachtszeit gehören soll. Der heilige Franz von Assisi hätte sich angewidert abgewendet.
Einkaufsstraße in Colmar während der Weihnachtszeit.
Uninformiert, wie ich war, dachte ich dieser Kult, mit all dem Glitzer und Glimmer, Lämpchen und kitschigen Schmuck sei dem Einfluss der USA geschuldet.
Mitnichten. Nach eingehender Recherche weiß ich jetzt, dieser Kult ist ein alter und hat vor 500 Jahren im Elsass begonnen. Der erste geschmückte Weihnachtsbaum soll in Straßburg gesehen wurden sein und 445-mal wurde zwischenzeitlich der Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz aufgebaut.
Blick zum Martinsmünster.
Den Straßburger Weihnachtsmarkt kannte ich wohl und fand ihn auch, so traditionell, wie er ist, ganz hübsch.
Aber das 150 Märkte in dieser Art auf einem eher kleinen französischen Territorium nahe zur Grenze nach Deutschland alljährlich abgehalten werden weiß ich erst nach einer ausführlichen Recherche. Nachdem ich aus dem Weihnachtsmarktland heimgekehrt war lies mich dieses Erlebnis nicht los. Also scheint der Amerikaner diese Tradition – mit all den Lämpchen und Firlefanz – lediglich übernommen zu haben.
Weihnachtsschmuck an Gastronomie.
Ich persönlich bin ja kein ausgesprochener Fan von Colmar im Weihnachtswahn und das Gewusel auf Weihnachtsmärkten schreckt mich eher ab.
Aber die Weihnachtsmärkte in Colmar waren dann doch ein besonderes Erlebnis, zumal die Buden auch Elsässer Spezialitäten, Würste, Käse, Seifen und allerlei brauchbares zum Kauf anbieten. Man kann Elsässer Wurstspezialitäten warm verspeisen oder in Form von Salami in unzähligen Variationen in einer Tüte nach Deutschland schmuggeln.
Weihnachtsmann hinter der Markthalle.
Colmar ist nicht nur wegen seines Isenheimer Altars im Museum unter Linden berühmt, sondern auch wegen der gut erhaltenen mittelalterlichen Architektur die man dicht gedrängt im Viertel Petite Venise (klein Venedig) findet.
Es ist ein eindrückliches Erlebnis durch die kleinen, engen Gassen zu flanieren, auf die diversen Kanäle zu schauen und ein weitestgehend intaktes mittelalterliches Stadtgebiet auf sich wirken zu lassen. Um dies jedoch wirklich erfassen zu können, sollte man die Stadt außerhalb der Weihnachtszeit besuchen. Erstens sind die Massen von Touristen dann wahrscheinlich auf ein bekömmliches Maß reduziert. Zweitens ist der Eindruck der Architektur ohne den überbordenden Weihnachtsschmuck ein ganz anderer.
Petite Venise (klein Venedig) mit Weihnachtsmann.
Wenn man sich entschließt – und das sollte man durchaus – den Elsass zu besuchen bietet sich Colmar geradezu als Hauptstützpunkt an.
Und wenn man kein ausgesprochener Liebhaber des exzessiven Weihnachtskultes ist, ist das Frühjahr oder der Herbst die beste Zeit für einen Besuch. Denn Colmar im Weihnachtswahn behindert den Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt ungemein und die Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels und Ferienwohnungen sind rar und um einiges teurer als in der weihnachtsfreien Zeit. Ich kann empfehlen eine Ferienwohnung mitten in der Altstadt von Colmar zu nehmen. Diese war wohl nicht unbedingt billig zu nennen aber sehr gut ausgestattet. So kann man mit Freunden zu viert oder sechst auf angenehme Art zusammen sein. Sich am Morgen ein frisches Baguette kaufen und ein Stück Münsterkäse dazu essen. Und wenn man meint, man bekäme es besser hin als der Koch des Restaurants nebenan, kann man des Abends ein Huhn im Elsässer Riesling auf den Herd stellen.
Weihnachtlich geschücktes Einzelhandelsgeschäft.
Von Colmar aus ist man schnell auf der berühmten Weinstraße. Straßburg und Basel sind in einer Stunde gut zu erreichen.
Für jeden der sich auch nur ein wenig für Kunst interessiert ist Colmar ohnehin eine heilige Pflicht, denn neben Grünewald sind hier auch zahlreiche Gemälde des gebürtigem Colmarers Martin Schongauer zu sehen. Das gotische Martinsmünster ist ein Besuch wert und in der Dominikanerkirche stehen Sie dann unvermittelt vor der Madonna im Rosenhag. Einem großen Werk von Schongauer. Einem Werk der Frührenaissance.
Nun lassen wir noch ein wenig Zeit ins Land gehen. Wenn die in Colmar stattfindenden Ostermärkte abgebaut sind, werde ich mich wieder auf den Weg machen und die Stadt nochmals ausführlich und in Ruhe besichtigen und berichten.
Und wenn ich Kindern eine Freude machen möchte gibt es nocheinmal Colmar im Weihnachtswahn.
Weihnachtlich geschmücktes Colmar bei Nacht.