Natur in der zeitgenössischen Kunst
Kann die Natur in der zeitgenössischen Kunst zeitlos sein, oder muss sie zwingend einen Bezug zum hier und jetzt haben?

Aufsehen erregt das große Format und die Irritation des Bildnerischen.
Muss dies aber zwingend auch so sein, wenn es um Natur geht? Freilich ist das Destruktive omnipräsent. Die Zerstörung der Natur wird im TV vorgeführt wie Mord und Totschlag. Nur die grausamsten Bilder zählen. Aufsehen erregt das Destruktive. Die abendfüllenden Naturfilme wirken oft wie Weichspüler aus einer anderen Welt, sind jedoch wohltuende Placebos. Geht es an, Natur darzustellen, wie es weiland Dürer mit seinem Rasenstück tat.
Ein Aktgemälde kann provokativ daherkommen oder aber still von der vergänglichen Schönheit des menschlichen Körpers erzählen, in dem sie dessen unversehrte Leiblichkeit feiert. Eine schlummernde Venus von Giorgione und Tizian zeigt uns einen scheinbar glücklichen Menschen, der schon seit Jahrhunderten den Sonnenbezirk verlassen hat.

Nun liegt es im Auge des Betrachters, wie er ein Bild empfängt und erkennt.
Man kann in der schlummernden Venus auch ein Skandalon sehen wollen, weil eine nackte Frau offen „präsentiert“ wird. Ist bewiesen, ob sie freiwillig als Model fungierte oder gezwungen, aus einer Not heraus genötigt wurde, entblößt vor den beiden Meistern zu posieren? Zwei Maler und ein nacktes Modell. Welch ein Skandal. Wenn man bedenkt, wer wohl die Sixtinische Madonna auf Raffaels gleichnamigen Gemälde war, tun sich Abgründe auf.
Lassen wir diese Polemik und das (Problem) mit der Aktmalerei.
Naturdarstellungen sind gleichermaßen in der Lage, an Vergänglichkeit zu gemahnen. Eine böse Absicht, gar Missbrauch kann man seinem Schöpfer jedoch nicht unterstellen. Freilich läuft man Gefahr, der Belanglosigkeit bezichtigt zu werden, wenn man dem Abbild der Natur verpflichte ist – oder es eben nicht mit Bedeutung befrachtet und bemüht ist, dem Dargestellten eine möglichst „zeitgenössische“ Note zu verleihen.
Wenn man die Möglichkeiten der Kompositionen, Farben, Formen von Fauna und Flora mathematisch berechnen könnte, käme man der Unendlichkeit nicht nur nahe, man hätte sie vor sich.
Pure Natur, Naturdarstellungen, – Fauna und Flora betreffend – bleibt in der zeitgenössischen Kunst meist im Verborgenen.
Auch als Thema im musealen Betrieb ist sie fast unsichtbar. Mit einer Ausstellung der Werke von Maria Sibylla Merian kann man leider kein Aufsehen erregen, auch wenn das Städelmuseum in Frankfurt 2017 eine sehr gut kuratierte Ausstellung der emanzipierten Künstlerin ausrichtete. Sibylla Merian ist es, auf die ich mich berufe und die Natur „Modernitätsvergessen“ ins Zeitgenössische implementiere. Wuchs ich doch in meinem Elternhaus mit Reproduktionen nach ihren Arbeiten auf. Dabei ist mir egal, ob und wie das passt.