Natur in der zeitgenössischen Kunst - Vergänglichkeit, Schönheit und Skandalon
Kann die Natur in der zeitgenössischen Kunst zeitlos sein, oder muss sie zwingend einen Bezug zum hier und jetzt haben?

Aufsehen erregt das große Format und die Irritation des Bildnerischen.
Muss dies aber zwingend auch so sein, wenn es um Natur geht? Freilich ist das Destruktive omnipräsent. Die Zerstörung der Natur wird im Fernsehen vorgeführt wie Mord und Totschlag. Nur die grausamsten Bilder zählen. Aufsehen erregt das Destruktive. Die abendfüllenden Naturfilme wirken oft wie Weichspüler aus einer anderen Welt, sind jedoch wohltuende Placebos. Doch was geschieht, wenn man versucht, Natur schlicht darzustellen – wie es einst Albrecht Dürer mit seinem berühmten Rasenstück tat?
Ein Aktgemälde kann provokativ daherkommen oder aber still von der vergänglichen Schönheit des menschlichen Körpers erzählen, indem es dessen unversehrte Leiblichkeit feiert. Eine schlummernde Venus von Giorgione oder Tizian zeigt uns einen scheinbar glücklichen Menschen, der schon seit Jahrhunderten den Sonnenbezirk verlassen hat. Ist Körper und Natur in der Kunst nicht eins. Denn das Eine wie das Andere ist der Vergänglichkeit anheimgegeben.

Nun liegt es im Auge des Betrachters, wie er ein Bild empfängt und erkennt.
Man kann in der schlummernden Venus auch ein Skandalon sehen wollen, weil eine nackte Frau offen „präsentiert“ wird. Doch ist es bewiesen, ob sie freiwillig als Modell fungierte oder gezwungen war, aus einer Not heraus vor den beiden Meistern zu posieren? Zwei Maler und ein nacktes Modell – welch ein Skandal. Wenn man bedenkt, wer wohl die Sixtinische Madonna auf Raffaels gleichnamigem Gemälde war, tun sich Abgründe auf.
Lassen wir diese Polemik und das Problem mit der Aktmalerei. Naturdarstellungen sind gleichermaßen in der Lage, an Vergänglichkeit zu gemahnen. Eine böse Absicht, gar Missbrauch kann man ihrem Schöpfer jedoch nicht unterstellen. Und doch läuft man Gefahr, der Belanglosigkeit bezichtigt zu werden, wenn man sich der reinen Abbildung der Natur verpflichtet. Wer Natur darstellt, ohne sie mit zusätzlicher Bedeutung zu überfrachten oder sie „zeitgenössisch“ aufzuladen, wird schnell übersehen.
Wenn man die Möglichkeiten der Kompositionen, Farben und Formen von Fauna und Flora mathematisch berechnen könnte, käme man der Unendlichkeit nicht nur nahe – man hätte sie vor sich.
Pure Natur, Naturdarstellungen, – Fauna und Flora betreffend – bleiben in der zeitgenössischen Kunst meist im Verborgenen.
Auch als Thema im musealen Betrieb ist sie fast unsichtbar. Mit einer Ausstellung der Werke von Maria Sibylla Merian lässt sich heute kaum Aufsehen erregen, auch wenn das Städelmuseum in Frankfurt 2017 eine hervorragende und sorgfältig kuratierte Schau der emanzipierten Künstlerin präsentierte. Merian, die schon im 17. Jahrhundert das Leben von Insekten und Pflanzen in akribischen Kupferstichen festhielt, gilt mir als Referenz. Sie ist es, auf die ich mich berufe – und deren Naturstudien ich „modernitätsvergessen“ ins Zeitgenössische implementiere.
Denn: Ich wuchs in meinem Elternhaus mit Reproduktionen ihrer Arbeiten auf. Dabei ist mir gleichgültig, ob und wie das passt. Entscheidend ist, dass die Natur in der Kunst nicht verschwindet, sondern in neuer Form sichtbar bleibt.
Natur in der zeitgenössischen Kunst ist jedoch trotzdem präsent: Schauen Sie sich die Arbeiten mit den Themen, Schmetterlinge, Vögel, Tiere von Thomas Gatzemeier an