Himmlisches Konzert in Assisi
Am ersten Mittwoch unseres Aufenthaltes nahe Assisi schreckte ich jäh aus dem Mittagsschlaf, als von den Kirchtürmen der Stadt her die mönchischen Bläser kräftig in ihre Instrumente stießen und ein himmlisches Konzert in Assisi ertönen ließen.
Dieses himmlisches Konzert in Assisi war aber nicht alles. Kurz nachdem die Bläser ihre Lippen von den Mundstücken nahmen, folgte ohrenbetäubendes Geläut. Es klang, als sei der Allmächtige oder ein noch größeres Unglück anzukündigen. In die pralle Mittagssonne ergoss sich ein furioses Konzert aus dröhnendem Glockenklang. Ein himmlisches Konzert in Assisi begann und es roch ein wenig nach frisch zubereiteter Pizza.
Den oberen Stadtkirchen folgten die im Tal, als brenne das umbrische Land. Aber keine Feuerwehr war zu sehen. Auch liefen die Touristen umher, als sin nichts geschehen.
Hellwach und in meiner Wahrnehmung differenzierter als zuvor bemerkte ich eine ausgeklügelte Komposition. Die, als ich mich endlich entschloss, die Fensterläden zu öffnen, in flirrend heiße Luft hinein ausklang, bis nur noch ein von Ferne her hell Tönendes, fast Jämmerliches, Gebimmel zu vernehmen war. Von Zeit zu Zeit von einem ein sonorer Glockenklang als letztes Geleit unterstützt.
Langsam übernahm das monotone Rauschen der Stadt wieder die Herrschaft.
Früher mochten die Bauern auf dem Feld oder beim kargen Mahl vor der Siesta berührt gewesen sein und sich in Demut niedergekniet haben. Heute erreicht das himmlisch gedachte Konzert nur wenige. Erstaunt ist lediglich der Reisende. Die Asiaten vergessen es nie und bedauern, das Geläut nicht fotografieren zu können.
In Autos oder klimatisierten Büros, in denen die Umbrer heutzutage sitzen, dringt das Klangereignis nicht ein. Monitore flimmern und Drucker spucken rasselnd Formulare aus. Die Augen der Spekulanten haften auf den Tagespreisen von Zinn und Kupfer. Der Wert der Glocken steigt seit Jahren.
Sechsunddreißig Grad im Schatten. Der Hauch eines leichten Windes kühlte nicht.
Die Spitzen der Zypressen neigten sich und Wolken türmten sich drohend, von Rom her kommend, am Horizont. Papst Pius kniete in den vatikanischen Gemächern zur Andacht nieder. Seine Beine schmerzten. Arthrose.