Eine Honorarordnung für bildende Kunst gegen Verliererkunst
Der Kunstmarkt ist unerbittlich und doch verhältnismäßig leicht zu durchschauen, denn er ist lediglich ein kleiner unbedeutender Teil der kapitalistischen Marktwirtschaft und von wenigen wirklich beobachtet.
Man berichtet gern über Preisrekorde, hinterfragt sie aber nicht, leben die Berichterstatter doch auch davon, dass der Markt aus den Fugen geraten ist. Ist die Gewinnerkunst good news und die Verliererkunst bad news?
Man hängt gern an den Lippen der Protagonisten dieser Zirkusveranstaltung und schaut die Geldberge hinauf und eben nicht in die Tiefen der Realität und damit der Verliererkunst.
Wie auch in der ordinären Wirtschaftswelt setzt sich nicht unbedingt das Beste und für das allgemeine Wohlergehen Sinn machende durch, sondern Zufälle und Netzwerke steuern die Interessen einzelner Gruppen und ganzer Branchen. Die Kapitalanreicherung bewahrt vieles vor schnellem Niedergang, weil für die Investoren zu viel auf dem Spiel steht und sie zuerst ihren Anteil sichern müssen, bevor das jeweilige Projekt endgültig dem Untergang geweiht ist. Das gilt für die Atomenergie genauso wie für andere spekulativ in die Hose gegangenen Unternehmungen.
Brutal ausgedrückt setzt sich das jeweils (Finanz) stärkste Rudel durch, wobei eine Mischung aus Habgier, Egoismus und Eitelkeit die Grundvoraussetzung für den Erfolg bildet.
Die Artefakte, mit denen der Kunstmarkt umgeht, sind der eine Aspekt. Die andere Seite ist ganz simpel und wie in der (Real) Wirtschaft auch das Streben nach einer Monopol- oder Vorrangstellung. Dazu benötigt man ein breites Netzwerk und immensen Einfluss in der Kulturindustrie. Die dicke Berta in diesem Kampf ist die Finanzkraft der Sammler im Hintergrund.
Der erste und notwendigste Schritt ist eine „Produktbestätigung“ durch Museen und renommierte Ausstellungen wie z. B. der documenta. Aber auch Einladung zur Beteiligung an diversen Biennalen spielt eine gewichtige Rolle.
Dazu ist es zwingend notwendig, nicht nur „nett“ zu sein, sondern auch die wichtigsten Protagonisten des Kunstgeschäfts auf seiner Seite zu wissen.
Sonst gehört man schnell in die Kategorie Verliererkunst.
Charisma und ein verkäuferisches Grundtalent müssen entweder dem Künstler oder zumindest seinem Agenten oder Galeristen in die Wiege gelegt sein. Haben es beide, ist ein großer Schritt getan, denn die Medien benötigen dieses Schmuckwerk als Grundlage für ihren Bildungsauftrag – Stock und Hut ist immer gut. (Markus Lüpertz, Beuys).
Wer neben den sekundären Künstlermerkmalen auch noch rhetorisch zu brillieren vermag oder durch exzellentes und selbstbewusst vorgetragenes Understatement – wie es ein Gerhard Richter versteht – Menschen betört. So wird man unberührbar, was Kritik anbetrifft.
Die Frage bleibt, ob es diese noch gibt.Denn die lapidare Bildbeschreibung hat schon lange über die Kritik gesiegt.
Es wird weder gehauen noch gestochen, sondern beschrieben.
So fällt die Verliererkunst schnell durchs Raster und kunstlose Kunst schwimmt auf fetter Kunstmarktbrühe.
Der Kunstmarkt ist von einigen wenigen Grundverhaltensmustern geprägt. Rudelverhalten / Hackordnung auf der einen Seite, um sich Reviere zu sichern. Imponiergehabe sowie Balzverhalten auf der anderen, um das besetzte Gebiet abzusichern und zu erweitern.
Andere Gesellschaftsordnungen versprachen und versprechen Gleichheit, um diese jedoch sogleich wieder aufzulösen. Natürlich mit der Begründung, die Gleichheit zu schützen. Die Ideologie des Sozialismus verlangt gerade vom Künstler absolutes Wohlverhalten. Durch Opportunismus und Anpassung an die gegebenen Verhältnisse können Interessengemeinschaften und Kunstrudel Macht erringen, in dem sie bestimmen, welches die wahre und hehre Kunst ist und zu sein hat. Ihre eigene.
Die Abtrünnigen gehören automatisch zur Verliererkunst.
Um sich abzusichern, bilden sie zum Beispiel eine Gutachterkommission und können mit diesem Machtinstrument missliebige oder einem anderen Rudel zugehörige Künstler ausschalten.
Willi Sitte war von 1974 bis 1988 Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Die Präsidenten des Künstlerverbandes wurden durch die Parteiführung der SED ausgewählt. Der Freund von Gerhard Schröder – sie sprachen sich mit Genosse an und pflegten sich zu umarmen – wurde von Erich Honecker jährlich in seinem Amt bestätigt.
Zugleich war Willi Sitte Mitglied des Zentralkomitees der SED und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Zentrale Gutachterkommission, welche über Kunst und Künstler urteilte. Also urteilte, wer zur Gewinner- und wer zur Verliererkunst gehörte.
Die graue Eminenz hinter allem war Bernhard Heisig.
Denn er vermochte als zweiter Mann im Verband der bildenden Künstler der DDR seinen Einfluss geltend zu machen. Denn er bestimmte maßgeblich die Mitglieder der Kunstkommissionen. Da saß dann schon mal sein Sohn mit drin. Mit dieser Methode konnte er seinen Einfluss geltend zu machen und bestimmen, wer zur Verliererkunst gehört.
Trotz alledem schuf Bernhard Heisig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ein für DDR-Verhältnisse liberales Klima. Auch setzte er sich in gewissem Maße für „abseitige“ Positionen ein.
Er konnte mit allen. In Ost und West. Seine Liberalität und die Zusammenarbeit mit dem Kunstsammler Ludwig, der auch Leihgaben nach Leipzig sendete, öffnete nicht nur für ihn den West-Kunstmarkt. Die „Viererbande“ Heisig, Tübke, Mattheuer und Willi Sitte teilte diesen unter sich auf.
Einige Vasallen – wie zum Beispiel der Genosse Arno Rink – bekamen auch einige Bröckchen ab und avancierten später zu den Heroen der Nachwende Kunst. Nur die Verliererkunst Künstler hatten immer noch verloren.
Bezeichnend ist, dass Gerhard Richter auf der einen Seite drei farbige Streifen im Bundestag gestaltete und Bernhard Heisig auf der anderen ein großes Format mit dem Titel „Welttheater“ schuf. Kunst von Dissidenten sucht man im Hohen Haus des Volkes vergeblich.
Der Nimbus der Macht vernebelt den Mächtigen den Blick auf die Realität.
Gerhard Schröder benutzte Künstler, wie diese ihn benutzten, um ihren Einfluss auf den Markt zu stärken. Wobei Marcus Lüpertz eindeutig der bessere Selbstdarsteller ist. Künstler können jedoch keinen größeren Schaden anrichten oder gar eine Partei zugrunde zu richten.
Als Willi Sitte in das ZK der SED gewählt wurde, welches auch den Schießbefehl an der Zonengrenze zu verantworten hatte, äußerte Honecker:
„Es muss angestrebt werden, dass Grenzdurchbrüche überhaupt nicht zugelassen werden […] überall muss ein einwandfreies Schussfeld gewährleistet werden […] nach wie vor muss bei Grenzdurchbruchsversuchen von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch gemacht werden, und es sind die Genossen, die die Schusswaffe erfolgreich angewandt haben, zu belobigen.“
Der Kunstmarkt der DDR ist leicht zu durchschauen, denn er wurde von den Interessen der herrschenden Klasse bestimmt. Die ihn dem Wesen des Menschen entsprechend zu ihrem Vorteil ausnutzen.
Typisch für staatliche Anordnungen sind die Ausnahmegenehmigungen, welche zum Rudel gehörende Künstler bevorzugen und ihnen Privilegien schaffen.
Diese Ausnahmetatbestände sind mit Bedacht nebulös gestaltet, um sie auch für einen nackten, sozialistisch gemalten Arsch verwenden zu können.
Der duschenden sozialistischen Arbeiterin im Hallenser Saunastil zum Beispiel oder einem spätpubertären Akt von Arno Rink konnten so die Insignien des besonderen sozialistischen Kunstwerkes verliehen werden. Simple Erotikmalereien konnten also honorarsteigernde sozialistische Werke verwandelt werden.
Neben diesem Aspekt musste man sich Optionen für den internationalen Kunsthandel zur Devisenbeschaffung offenhalten. Seitdem der Rheinische Schokoladenproduzent Ludwig erst DDR-Kunst erwarb und dann seine Schokolade in Delikat- und Intershopläden verkaufte, wurde DDR-Kunst zum Wirtschaftsfaktor.
Die Umsätze des Kunsthandels der DDR im Westen waren sicher ähnlich hoch wie die mehrerer LPG-Schweinemastbetriebe. Denn diese exportierten ihre sozialistischen Mastschweine, über die Franz-Josef Strauß | Gebrüder März KG Connection aus Rosenheim in den Westen.
Freilich wäre ein florierender Kunsthandel für die DDR-Bevölkerung angenehmer gewesen. Denn sie hätten auf diesem Weg außer nackten Fliesen, Schweinebauch, Kammfleisch und Hausmacher-Leberwurst noch anderes in den Konsum-Fleischereien gesehen hätten. Kunst taugt nicht als Fleischersatz.
Mit einem kleinen Abzeichen am Revers zum Erfolg zu gelangen, dafür bedurfte es lediglich einen Aufnahmeantrag der SED.
Dieser Schritt war eine Grunderwerbssicherung – die auch für maßlos unbegabte Menschen – welche sich an der Malerei versuchten, ein lebenslanges Auskommen sicherte. Parteilichkeit und Volksverbundenheit sind durch das richtige Parteibuch bewiesen.
Ideenreichtum und künstlerische Meisterschaft dagegen subjektiv, so lange nicht abstrakt gemalt wurde.
Denn dies war eher westlich dekadent, aber toleriert. Jedoch nicht ordentlich honoriert, weil selten gekauft. Das figürliche Bild mit der richtigen oder eben falschen Aussage war natürlich viel gefährlicher als ein formales Experiment.
§ 8 zeigt auf, warum es unverständlich ist, dass der real existierende Sozialismus nicht mehr existiert.
Es gab in der DDR Aufträge und Geld für das bloße Nachdenken. Auch für das Spielen mit Materialien gewährte man Zeit. Ein Paradies – und für 5 Pfennige ein Brötchen. 41 Pfennige ein Bier. Widmete man sich einem schwierigen Thema der Gegenwart, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder bekam man ein Honorar oder man wurde Ausgebürgert. Wenn Westgeld knapp war und das Risiko des Imageschadens nicht zu hoch, inhaftiert man den Denker und er wurde vom Westen abgekauft. Auf demselben Transitweg wie die Mastschweine wanderte er in den kapitalistischen Kunstbetrieb.
Also eine weitere Ebene des Kunsthandels und deren Bereicherung. Nebenbei auch an den Vertretern der Verliererkunst.
Die DDR war ein Paradies für Künstler und doch wollte nur der freiwillig da bleiben, welcher wenig Skrupel hatte, mit einer Diktatur zusammenzuarbeiten. Das waren viele. Sehr viele.
Bedenken Sie! Für einfaches Nachdenken Monatsraten von 300 bis 1.200 M und das zwei Jahre bei einer Miete von 60 M und einer Flasche Lunikow-Wodka mit 40 VOL. % zu 7,20 M. Das lässt sich doch aushalten, um Gottes Willen!
Ganz stimmt das nun auch nicht. Manche hatten familiäre Bindungen und berechtigte Zweifel, ob sie ein Leben im Westen bewältigen. Man arrangierte sich. Das ist aber ein anderes Thema.
Die Staatskünstler mit Reisepass und Westgeldkonto verloren zur Wende die in der DDR so hoch gehandelten Privilegien. Ja einige waren regelrecht sauer, dass die „Anderen“ nun auch das durften, für das sie sich haben Jahrelang in den Arsch der Oberen schrauben müssen.
Ein sehr interessantes Thema, das menschliche Wesen betreffend – aber keine Kunst an sich ist die Arschkriecherei.
Was mich beim wiederholten Lesen dieser Honorarordnung aber doch überrascht. In welch einer Vielzahl von Paragrafen die Privilegien einiger weniger mehrmals abgesichert werden.
Zum Beispiel ist nicht jeder berechtigt, ein Künstler zu sein. Van Gogh wäre raus aus dem Spiel. Denn jeder, welcher als Künstler ernst oder Unernst tätig sein wollte, musste im Verband bildender Künstler Mitglied sein. Denn erst dann bekam er eine Steuernummer und war von sozialistischer Fronarbeit befreit.
Nun fragt sich der Westmensch (als auch der zu spät geborene) wie das gehen soll. Es kann doch jeder, wenn er das Einkommen ordentlich versteuert oder verschleiert tun, was er will.
Geht eben nicht. In der DDR benötigte man eine Steuernummer, um freiberuflich arbeiten zu dürfen. Diese Nummer wurde von staatlichen Stellen vergeben und war wertvoller als ein 5fer im Lotto. Denn diese Nummer versprach wirtschaftliche Unabhängigkeit und ein Höchstmaß an Freiheit in dieser miefigen Diktatur der Kleinbürger. Es gab eine Arbeitspflicht, die sehr schwierig zu umgehen war.
Das im Paragrafen 3.
Im § 10 kommt die Anerkennung künstlerischer Leistungen, welche ein erhöhtes Honorar versprechen und die vom Ministerium für Kultur vergeben wurde, zum Tragen. Antragsberechtigt ist zum Beispiel der staatliche Kunsthandel, welcher maßgeblich von Heisig und Sitte kontrolliert wurde wie natürlich auch die Jurys der wichtigen DDR-Ausstellungen.
Schon im Paragrafen 12 wird weitere Privilegierung betrieben. Noch eine weitere Gutachterkommission soll den Weg zu höheren Honoraren sichern.
Aber kommen wir zu den Preisen für Kunst in Maß und Mark und was einem im Sozialismus glücklich machte. Also doch keine Verliererkunst?
Obwohl Geld eher sekundär für ein Überleben im Sozialismus war, wurden die Künstler reich bedacht. Man bekam, so man sich bemühte und nicht in Ungnade gefallen war, regelmäßig Aufträge der öffentlichen Hand. Bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von ca. 900 M in den 70er-Jahren ist die Honorarordnung großzügig. Heute beträgt das Durchschnittseinkommen rund 3000 €.
Leicht zu rechnen und zu vergleichen ist das natürlich nicht. Nehmen wir mit Preissteigerung einfach einen Faktor 3. So betrüge der Preis eines Bildes im Format 100 x 100 cm 6 – 12 T€.