Das Motiv Hausarbeit in der Kunst – Von Vermeer bis in die Gegenwart
Hausarbeit. Ein Wort, das nach Pflicht klingt, nach immer wiederkehrenden Handgriffen, nach Tätigkeiten, die niemand bemerkt, wenn sie getan sind – und die jeder sofort sieht, wenn sie unterbleiben
Der Haushalt ist seit Jahrhunderten Bühne und Abgrund zugleich, aber auch immer wieder ein Motiv in der Kunst. Er ist Ort der Reproduktion des Lebens, aber auch jener Bereich, den Kunst und Gesellschaft lange Zeit gering schätzten. Und doch: Gerade in der Kunstgeschichte finden wir immer wieder Meisterwerke, die genau hier, zwischen Schüssel, Schürze und Schrubber, eine eigene Form von Würde, Poesie und manchmal auch Rebellion sichtbar machen.
Jan Vermeer van Delft und die Würde des Alltäglichen und das Motiv Hausarbeit in der Kunst
Man muss wohl mit Johannes Vermeer beginnen, wenn man vom Haushalt in der Malerei spricht. Die Milchmagd (um 1658, Rijksmuseum Amsterdam) ist längst Ikone geworden. Nicht das Festmahl, nicht die große historische Szene, sondern das Ausgießen von Milch in eine Schüssel erhebt Vermeer zur konzentrierten Handlung. Das Licht fällt wie eine stille Offenbarung in den Raum und adelt die Arbeit, die sonst unsichtbar bleibt.
Ähnlich verfuhren Pieter de Hooch und Nicolaes Maes. Sie zeigten Interieurs voller kleiner Tätigkeiten: schälende Mägde, aufräumende Mütter, Kinder, die erzogen werden müssen.
Maes’ The Idle Servant (National Gallery, London) konfrontiert uns sogar mit der Mühsal des Dienens – und dem leisen Aufbegehren gegen diese Mühsal. Das Motiv Haushalt in der Kunst war hier nicht nur Nebenschauplatz, sondern gesellschaftliches Gefüge in Miniatur.
Chardin, Daumier, Degas – Der nüchterne Blick, der monumentale Gestus
Im 18. Jahrhundert setzt Jean-Baptiste-Siméon Chardin neue Akzente. Seine Wäscherinnen zeigen die alltägliche Arbeit nüchtern, ohne Pathos – aber stets respektvoll. Keine Allegorie, keine heimelig, bürgerliche Tarnung, sondern Realität, die Würde hat, gerade weil sie unspektakulär ist. So ist das Motiv Hausarbeit in der Kunst Normalität geworden und führt in die Neuzeit.
Honoré Daumier wiederum monumentalisiert im 19. Jahrhundert die einfache Arbeiterin.
Seine Wäscherinnen im Musée d’Orsay oder im Metropolitan Museum of Art wirken wie Heldinnen des Alltags. Schweiß, Anstrengung, soziale Härte – Daumier verwandelt sie in Symbole der Moderne.
Und dann Edgar Degas: Das Gemälde Repasseuses (Büglerinnen) lässt die körperliche Mühe fast körperlich spürbar werden. Das Bügeleisen ist kein Attribut mehr, sondern Gewichtsblock, der Schultern und Rücken zwingt. Degas’ Blick ist naturalistisch, ja gnadenlos – aber nicht ohne Empathie. Wer hätte gedacht, dass das Motiv Haushalt in der Kunst so viele Facetten bereithält.
Viele Familien auf der Lower East Side um 1915 lebten in Verhältnissen, die man heute kaum mehr begreifen kann. Ein Haushalt bestand oft aus Vater, Mutter, mehreren Kindern – manchmal auch noch Großeltern oder Verwandten –, und all das spielte sich auf wenigen Quadratmetern ab.
Die Mutter steht am Abwasch, während die Kinder um sie herumstehen – sie können gar nicht „in einem anderen Zimmer spielen“, weil es kein anderes Zimmer gibt. Haushalt bedeutete in dieser Umgebung ständiges Improvisieren und Organisieren, ein täglicher Kampf gegen Mangel, Schmutz und Platznot. Das Motiv Haushalt wird zur Dokumentation.
Feministische Neubewertungen seit 1969
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In den 1970er-Jahren wird der Haushalt explizit zum Feld feministischer Kritik und künstlerischer Konzepte. Mierle Laderman Ukeles erklärte in ihrem Maintenance Art Manifesto (1969) die unsichtbare Sorgearbeit zur Kunst. Ihr Credo: Putzen, Waschen, Aufräumen sind nicht weniger wertvoll als Malen oder Bildhauern – sie sind Teil der kulturellen Produktion.
Martha Rosler sezierte in Semiotics of the Kitchen (1975) die Sprache der Hausarbeit, indem sie Küchenutensilien wie Waffen präsentierte – eine Performance zwischen bitterem Humor und schneidender Kritik.
Und das legendäre Womanhouse (1972), organisiert von Judy Chicago und Miriam Schapiro, machte das Haus selbst zur Installation: Schlafzimmer, Küche, Bad – Räume weiblicher Erfahrung, plötzlich zum Kunstwerk mutiert und ausgestellt.
Fotografie seit 1990 – Haushalt als Bühne, Macht & Intimität
Seit den 1990er-Jahren entdecken Künstlerinnen die Küche und das häusliche Interieur als Bühne für Intimität, Macht und Rollenbilder neu. Carrie Mae Weems’ Kitchen Table Series erzählt vom privaten Raum als Schauplatz sozialer Gefüge, Beziehungen, Hierarchien.
Sophie Calle hingegen betrat fremde Räume – in L’Hôtel (1981–83) dokumentierte sie minutiös die Hinterlassenschaften fremder Hotelgäste. Putzen und Aufräumen wurden hier zum Akt der Recherche, zur poetischen Detektivarbeit.
Das Motiv Hausarbeit in der Kunst in der Gegenwart | Horst Kistner – Hausarbeit jenseits der Klischees
Und heute? Wer meint, Hausarbeit sei als künstlerisches Motiv erschöpft, täuscht sich. Horst Kistner greift das Thema auf – und verwandelt es in surreale, sinnliche und zugleich tief persönliche Bildwelten.
In Fotografien wie My Private Hidingplace, Déjà-Vu, Hoover oder Malinconia zeigt er Frauen in häuslichen Situationen, die auf den ersten Blick vertraut wirken. Doch das Vertraute kippt. Der Staubsauger wird zur Metapher, die Küche zur Bühne eines Traums, die Wäsche zum Symbol von Vergänglichkeit. Humor und Melancholie liegen dicht beieinander.
Der Fotograf Horst Kistner bringt eine besondere biografische Erfahrung ein: Als alleinerziehender Vater, der seinen Sohn allein großzog und bis heute kocht und den Haushalt selbst erledigt, nähert er sich dem Thema nicht von außen.
Seine Fotografien sind daher keine oberflächlichen Kommentare über „Frauenarbeit“, sondern ein vielschichtiges Gespräch über Rollenbilder, Intimität und das Unsichtbare des Sichtbaren.
Das Motiv Hausarbeit in der Kunst und damit der Fotografie ist bei Horst Kistner oft surreal, sinnlich, hintergründig
Während die alten Meister den Haushalt als Spiegel der sozialen Ordnung zeigten und die Moderne ihn als Ort körperlicher Anstrengung entdeckte, führt Kistner das Motiv in eine andere Dimension. Seine Frauenfiguren sind nie bloß „Dienende“. Sie wirken wie Trägerinnen geheimer Energien – mystisch, manchmal ironisch, immer ernsthaft inszeniert.
Seine Fotografie ist filmisch, oft mit einer Lichtführung, die an Caravaggio oder den Film Noir erinnert. Doch der Surrealismus liegt in der Kombination von Alltäglichem und Rätselhaftem: Waschmaschinen, Staubsauger, Wannen erscheinen wie Requisiten einer Traumwelt.
Hier finden Sie alle Motive zum Thema Hausarbeit von Horst Kistner
Und hier ein Blick in das Studio des Fotografen Horst Kistner