Die inszenierte Fotografie der iranischen Künstlerin Somy Samani
Inmitten eines streng reglementierten gesellschaftlichen Gefüges, in dem Frauen in ihrer äußeren Erscheinung kontrolliert, zensiert und häufig zum Schweigen gebracht werden, erhebt Somy Samani ihre Stimme – still, poetisch, aber unüberhörbar.
Somy Samanis Waffe ist die Kamera, ihre Bühne der eigene Körper, ihre Sprache die reduzierte Symbolik der inszenierten Fotografie.
Was auf den ersten Blick ästhetisch klar, beinahe zurückhaltend wirkt, entfaltet auf den zweiten Blick eine subversive Kraft: ein visuelles Aufbegehren gegen Sichtbarkeitseinschränkungen, kulturelle Zuschreibungen und das Recht auf Selbstbestimmung.
Geboren 1988 in Karaj, lebt und arbeitet Somy Samani heute als Künstlerin zwischen den Welten. Ihre Fotografien sind Selbstporträts – nicht im Sinn der narzisstischen Selbstvergewisserung eines Selfies, sondern als vielschichtige Auseinandersetzung mit Weiblichkeit im Kontext patriarchaler Gesellschaften. Samani stellt sich selbst ins Bild, um sichtbar zu machen, was normalerweise verborgen bleibt. Sie befragt sich selbst und damit ihre Umwelt.
Die Ästhetik der Verschleierung im Werk von Somy Samani
Verschleierung ist in Somy Samanis Werk nicht nur ein textiler Akt, sondern ein Konzept. Ein System. Eine Metapher. Sie verweist nicht nur auf die religiöse und gesetzlich vorgeschriebene Pflicht der Verschleierung im Iran, sondern auch auf eine tiefere Ebene des Nicht-Gesehen-Werdens – und des Nicht-Sehen-Dürfens. In ihrer Fotografie The Invisible Eyes wird dieser Gedanke in ein kraftvolles Bild überführt: Der Blick der Künstlerin ist verhüllt, nicht durch Stoff, sondern durch eine künstlich anmutende Wolke aus weißer Watte. Ein Akt der Entkörperlichung und der Selbstzensur zugleich. Das Auge – traditionell Symbol des Sehens, der Erkenntnis, des Ausdrucks – wird ausgelöscht. Stattdessen bleibt ein makelloses Gesicht, schön und stumm, das zur Projektionsfläche wird.
Die Reduktion der Mittel – ein dezenter Farbkanon aus Hauttönen, zartem Rosa, Weiß – lässt den Betrachter nicht ablenken. Es geht hier nicht um Effekt, sondern um Essenz. Die zentrale Frage lautet: Wer sieht wen – und unter welchen Bedingungen? In Gesellschaften, in denen der weibliche Körper politisiert und kontrolliert wird, wird der Akt des Sich-Zeigens zum Akt des Widerstands. Die inszenierte Fotografie der iranischen Künstlerin Somy Samani ist auch ein Zeichen der Zuversicht und der Kraft des Weiblichen in einer patriarchalischen Gesellschaft.
Schmuck und Zensur – Ambivalenzen des Weiblichen in den Fotografien von Somy Samani
Auch in der Arbeit A Room of One’s Own spielt Samani mit der Idee der symbolischen Verschleierung. Über ihre Augen legt sie mehrere Reihen weißer Perlen – ein Sinnbild für Schmuck, Schönheit, Reinheit, aber auch für Gitter, Grenzen und stille Gewalt. Die Fotografie zeigt die Künstlerin vor einem zweigeteilten Hintergrund: links in Ocker, rechts in Mintgrün. Eine subtile Chiffre für Innen und Außen, für Tradition und Aufbruch, für das Private und das Öffentliche. Der Titel verweist auf Virginia Woolfs berühmten Essay „A Room of One’s Own“ (1929), über die Notwendigkeit eines eigenen Raumes – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – für weibliches Schaffen. Samani fordert diesen Raum nicht laut ein, sie inszeniert ihn als fragile Zone zwischen Sichtbarkeit und Rückzug.
Der Körper als Ort des Politischen
In Breathe begegnet uns Samani frontal, in Schwarz gehüllt, mit einem festen, ernsten Blick. Die Kleidung erinnert an religiöse Gewänder, die Pose an klassische Porträts vergangener Jahrhunderte. Doch der schmale schwarze Stoffstreifen, der sich wie eine Drosselung um ihren Hals legt, transformiert die Bildwirkung. Der Körper ist präsent, aber eingeengt. Die Atmung – ein eigentlich autonomer, lebendiger Akt – scheint gebändigt, eingeschränkt. Das Bild evoziert Assoziationen von Würde und Ohnmacht zugleich. Es ist ein feines Spiel mit der Ambivalenz weiblicher Repräsentation: Stärke trotz Zwang, Schönheit trotz Kontrolle, Subjekt trotz Objektivierung.
Die Stille als Sprache des Widerstands in der Kunst der Somy Samani
Was Somy Samani von anderen politischen Künstlerinnen unterscheidet, ist ihr Umgang mit der Lautstärke. Ihre Fotografien schreien nicht, sie flüstern – aber das auf eine Weise, die nicht überhört werden kann. In einer Welt, in der Bilder oft in Sekunden konsumiert werden, verlangen ihre Werke Aufmerksamkeit, Verlangsamung, Hingabe. Sie sind nicht plakativ, nicht agitatorisch. Sie sind Spiegel, in denen sich Betrachter und Betrachterin selbst befragen müssen: Was sehen wir – und was wollen wir sehen?
Die inszenierte Fotografie der iranischen Künstlerin Somy Samani ist politisch nicht vordergründig, sondern eingebettet in eine Bildsprache, die sich jeder Eindeutigkeit verweigert.
Es ist diese Ambivalenz, die ihre Arbeiten so berührend und kraftvoll macht. Sie erzählt nicht von Protest, sie verkörpert ihn – in feiner Stofflichkeit, mit leisen Gesten, in einem Raum zwischen Schönheit und Schmerz.
Somy Samani gehört zu jener Generation iranischer Künstlerinnen, die nicht trotz, sondern gerade wegen der Repressionen zu eindrucksvollen Stimmen geworden sind. Ihre Fotografien zeigen, wie viel Widerstand in der Kunst liegen kann – selbst dann, wenn sie sich in der Sprache der Zurückhaltung äußert. Denn manchmal ist es das Verborgene, das am meisten über das Sichtbare sagt.