Hinter den Kulissen beim Fotografen Horst Kistner
Der Betrachter eines Werkes sieht das Ergebnis eines Prozesses, aber er ahnt selten, welcher Aufwand hinter dem steckt, was er sieht.
Hinter den Kulissen des Fotografen Horst Kistner sieht man, wie aufwendig es ist, eine inszenierte Fotografie umzusetzen.
Mancher glaubt, Horst Kistner nutze real vorgefundene Räume als Location, ein Model wird hinein appliziert und das Ganze „abfotografiert“.
Horst Kistners Fotografie ist bis ins Detail inszeniert.
Er trifft nicht einfach auf eine Gegebenheit und lichtet diese ab: Im Gegenteil, sein schöpferischer Prozess ist dem eines Malers sehr ähnlich. Der Maler benötigt nicht unbedingt den realen Gegenstand. Er ist freier, kann verändern, verfremden, verfälschen. Auch das Licht muss nicht exakt abgestimmt sein.
Er malt es und kann jederzeit beliebige Veränderungen vornehmen. Jedenfalls, bis das Bild das Atelier verlässt. Dies ist der Vorteil. Einen großen Nachteil hat der Maler jedoch: Er muss alles, in teilweise mühseliger Feinarbeit, mit dem Pinsel auf die Leinwand bringen.
Der Augenblick der „Schöpfung“ – die Belichtung – ist für den Fotografen dagegen die geringste Mühe, da die technischen Einstellungen seiner Kamera wie Blende und Verschlusszeiten Basiswissen sind.
Die Bildidee und ihre Umsetzung entwickelt sich bei Horst Kistner ganz ähnlich wie bei vielen Malerkollegen: Zunächst ist da oft nur eine nebulöse Ahnung. Ein Gegenstand, irgendwann ein inneres Bild.
Dieses wird oft monatelang im Kopf herumgetragen und konkretisiert sich immer mehr – oder verflüchtigt sich. Die Objekte, welche die Kulisse dann bilden sollen, wenn es ernst wird, werden Stück für Stück zusammengetragen. Eine Bühne entsteht für den Augenblick, in dem der Auslöser betätigt wird – ein gigantischer Aufwand für den Bruchteil einer Sekunde.
Der Fotograf erschafft ein Farbklima. Kalt, warm oder wie auch immer. In unserem Beispiel geht es um Wasser, auch ein wenig um Kälte und Dunkelheit. Um Mystik sowieso.
Also spielt Kistner mit diversen aufeinander abgestimmten Blautönen. Diese Farbtüftelei reicht bis zur Bekleidung des Models. Aber auch die Lichtregie mit Farbfiltern und anderen Tricksereien, die Horst Kistner nicht gerne verrät, spielt eine Rolle. Dieses besondere Licht ist ein konstitutiver Bestandteil seiner besonderen Handschrift. So wie die Bilder eines Caravaggio und eines Rembrandt von einem Helldunkel in ihrer Malerei geprägt sind, aber doch eine ganz individuelle Ausstrahlung haben, so haben Kistners Fotografien ihren eigenen unvergleichlichen Charakter, auch wenn er sich in der Tradition dieser beiden Maler befindet.
Kistner ist ein Fotograf, der sich von Malerei inspirieren läßt: Der Malerei der Renaissance, der eines Edward Hopper und vieler anderer.
Er ist ein Lichtbildner der alten Schule, der versteht, mit den Mitteln der Fotografie zu malen. Dieser Künstler ist niemand, der Vorgefundenes ablichtet und zu seinem Eigenen erklärt.
Wenn die Kulisse konzipiert ist, geht es um die Protagonistin der Handlung. Ein guter Fotograf hat eine Modelkartei.
Und doch ist nicht immer der richtige Typ dabei. Ausstrahlung und Physiognomie müssen zur Bildidee passen. Das „übliche“ Fotomodell kommt bei Kistners künstlerischer Fotografie weniger in Betracht. Diese werden im Scherz als „emotionslose Kleiderständer“ bezeichnet. Glatte Schönheit interessiert ihn nicht. Kistner bevorzugt semiprofessionelle Modelle. Mit diesen ist die Arbeit oft aufwändiger, da sie nicht an die Kamera gewöhnt sind. Dafür wirken sie authentischer und verfallen nicht in das Posenhafte.
Der Fotograf arbeitet eng mit einer Visagistin zusammen.
Horst Kistner weiß genau, welche Frisur ins „Bild“ passt und mit welchem Make-up man den individuellen Ausdruck des Models verstärkt.
Da Horst Kistner ein manischer Sammler schöner Dinge ist – Vintage bevorzugt er – ist sein Fundus schier unerschöpflich.
Trotzdem müssen immer wieder Objekte zugekauft werden. Er sucht lange, bis ein Faltbootgerippe gefunden ist und die richtige Lampe von der Decke hängt. Denn ein intaktes Faltboot mit der üblichen Bespannung wäre zu simpel und könnte die Bildidee nicht transportieren. Und die Lampe muss dann natürlich zu den anderen Elementen der Komposition passen. Freilich ist zu vermuten, dass die für dieses Shooting aufgebaute und hellblau gestrichenen Küche noch für ein oder zwei weitere Fotoshootings herhalten muss, ehe sie abgebaut wird. Wir dürfen gespannt sein. Eventuell taucht sie pastellrosa in einem anderen Werk auf.
Ein Film über den Fotografen Horst Kistner
Wenn Sie alle Videos über die Arbeit von Horst Kistner sehen wollen, so besuchen Sie unsere Playlist HORST KISTNER